Staatssekretar Ulrich Kelber im Interview
Ulrich Kelber ist Parlamentarischer Staatssekretar beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz. Am Vorabend des 1. Bundes-kongresses zum Glücksspielwesen hielt er als Abendauftakt eine Keynote zum Verbraucherleitbild und digitalem Verbraucherschutz.
Gaming-Apps, Online-Spiele, virtuelle Casinos und elektronische Lotterien, machte Kelber dabei deutlich, stellen nicht nur etablierte Ge-schäftsmodelle, sondern auch den Verbraucherschutz vor neue Herausforderungen. Bei digitalen Angeboten seien Anbieter, Märkte und Nach-frager global, Rechtsvorgaben und Rechtsdurchsetzung aber national. Verbraucher haben ein Recht darauf, sich auf allen Märkten sicher zu fühlen, selbst dann, wenn sie komplexe oder unbekannte Angebote nutzen. Der Staat müsse daher in sensiblen und risikobehafteten Bereichen einen verlässlichen Ordnungsrahmen setzten, der dem gerecht wird. Insbesondere verletzliche Verbraucher, wie Jugendliche oder Suchtkranke, müsse die Verbraucherpolitik dabei besonders im Blick behalten.
Im Interview mit R. Uwe Proll, Herausgeber der „Beiträge zum Glücksspielwesen“, sprach Kelber über Verbraucherschutz beim Onli-ne-Glücksspiel und Wettmanipulation.
Das Glücksspielwesen hat einen Umsatz von etwas über elf Milliarden Euro in Deutschland. Davon neun Milliarden legal, so die offiziellen Zahlen. Die Hälfte des Umsatzes macht die Automatenwirtschaft aus. Allein in diesem Bereich gehen 1,8 Milliarden Euro Steuern an den Staat. Eigentlich müsste der Staat doch Interesse am Glücksspiel haben.
Der Staat verdient am Glücksspiel mit, zumindest so, wie es in der Vergangenheit organisiert war. Beim Glücksspiel über das Internet, also On-line-Glücksspiel, ist die Situation schon anders, weil der Staat auch eine Schutzfunktion hat. Also muss er darauf achten, dass Suchtkranke oder Menschen, die die Gefahren nicht richtig einschätzen können, vor Folgeschäden auch beim Glücksspielwesen geschützt sind.
Das Thema Spielerschutz ist Ländersache. Hat der Bund überhaupt Zugriff darauf?
Fast alles im Bereich Glücksspielwesen ist Länderaufgabe. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Onlineglücksspiels.
Wo gibt es Ihrer Ansicht nach den größten Schutzbedarf?
Dort, wo die Verbraucher in einer verletzlichen Position sind. Also überall, wo sie süchtig sind oder in die Gefahr geraten, süchtig zu werden. Zwar haben wir die normalen jugendschützenden Maßnahmen. Aber bei der Verleitung zu bestimmten Wetten und Glücksspielen stehen Ver-braucher einer geschickten, emotionalen Ansprache gegenüber. Viele sehen zudem nicht sofort den Haken an einem Versprechen. Verbraucher dürfen nicht schutzlos jeglichem Geschäftsmodell ausgeliefert sein.
Aber es gibt immer noch den völlig unregulierten Bereich, wo eine Spielhalle neben der anderen steht. Hier gibt es ein Regulierungsdefizit. Hinzu kommt der sich der bisherigen Regulierung entziehende internationale Internetspielebereich. Warum schreiten die Behörden hier nicht ein?
Die Frage, ob es ein Vollzugsdefizit gibt, muss man mit den Ländern besprechen. Für die Durchsetzung der Gesetze sind ganz überwiegend die Länder zuständig. Beim Internet sind wir natürlich in vielen Bereichen tätig. Das betrifft die Plattformen wie auch die Anbieter, die mitunter aus Ländern kommen, mit denen wir überhaupt keine vertraglichen Beziehungen in solchen Fragen haben. In der aktuellen Debatte wird geprüft, was es für Möglichkeiten gibt, dort einzugreifen. Das geschieht nicht völlig isoliert vom Glücksspielwesen, diese Frage stellt sich hier besonders stark.
„Vernetzte Märkte brauchen vernetzte Regeln mit hohen Jugend-, Daten- und Verbraucherschutzstandards! Sonst spielen Suchtgefährdete oder Minderjährige einfach online, wenn sie an den Türen der Spielhallen scheitern und jedes Glückspielangebot dieser Welt nur noch einen Klick entfernt ist“, betonte Kelber in seiner Keynote am Vorabend des Kongresses. Foto: BzGw/Drombowsky