Prof. Dr. Jörg Ennuschat im Interview
Lotto zählt zu den populärsten Glücksspielen und wird in Deutschland mit einem Lotteriemonopol gestaltet. Das ist vielen privaten Lottovermittlern ein Dorn im Auge. In ihrem jüngsten Glücksspieländerungsstaatsvertrag halten die Länder aber weiterhin am Monopol fest. Mit dem Ausscheren Schleswig-Holsteins aus dem Glücksspielstaatsvertrag hoffen private Anbieter auf eine umfassendere Reform, die auch den Lotteriebereich umfasst. Im Interview spricht Prof. Dr. Jörg Ennuschat über die Rechtfertigung des Lotteriemonopols und rechtliche Hürden.
In einer früheren Ausgabe dieser Zeitschrift hat Andrea Wicklein, MdB, die These aufgestellt, dass für eine tragfähige Glücksspielregulierung die Lotterien das Kamel sind, das durch’s Nadelöhr muss. Es geht also nach wie vor um den Erhalt des Lotteriemonopols. Warum ist die rechtliche Frage um die Rechtfertigung von Monopolen im Glücksspiel so wichtig?
Ja, das ist wirklich eine wichtige Frage. Vielleicht landet sie bald vor den Gerichten: Lottoland, ein Anbieter sog. Zweitlotterien, hat Erlaubnisse zur Veranstaltung eigener Lotterien beantragt und für den – wohl erwarteten – Fall ihrer Verweigerung Klagen angekündigt. Bislang haben BVerfG, EuGH und EGMR, wenn sie mit Lotterien befasst waren, zwar keine größere Skepsis gegenüber dem Lotteriemonopol erkennen lassen. Es gab aber auch noch keinen wuchtigen Frontalangriff auf das Lotteriemonopol. Bis vor Kurzem waren die meisten Glücksspiele im Monopol organisiert, nicht nur Lotterien, auch Spielbanken und Sportwetten. Im Sportwettensektor hat der Wettbewerb das Staatsmonopol verdrängt. Das war mit vielen Rechtsstreitigkeiten verbunden, über welche die Medien berichteten und auf welche die Politik reagieren musste. Für Politik, Medien und Öffentlichkeit sind Sportwetten dennoch nur ein Randthema. Anders wäre dies im Lotteriebereich. Die Überschüsse der großen staatlichen Lotterien sind für die Landeshaushalte viel wichtiger als die bisherigen Erlöse der staatlichen Sportwettenanbieter. Auch Medien und Öffentlichkeit werden stärker interessiert sein, wenn es um die Zukunft des Lotteriemonopols geht, weil Lotto – anders als Sportwetten oder Spielbanken – seit Langem Teil unserer Alltagskultur ist. Die Frage, ob das Lotteriemonopol gerechtfertigt werden kann, ist deshalb besonders brisant.
Sehen Sie einen gewissen Konsens in der Rechtswissenschaft, dass diese Frage eine zentrale Rolle für zukünftige Regulierungserfolge einnimmt?
Die Rechtsprechung von BVerfG und EuGH hat die Erfordernisse der Kohärenz und Konsistenz entwickelt. Ungeachtet vieler Unsicherheiten und Streitigkeiten bei Einzelfragen besteht Einigkeit, dass die staatliche Regulierung des Glücksspielmarktes ein Mindestmaß an Stimmigkeit aufweisen muss.
Die Regulierung der Lotterien hat dabei mehrere Bewährungsdimensionen: Sie muss sich erstens rechtlich bewähren, d. h. sich hinreichend stimmig in das Gesamtgefüge der Glücksspielregulierung einfügen. Das bedeutet nicht, dass alle Glücksspiele über einen Kamm geschoren werden müssen. Unterschiedliche Regulierungsansätze sind möglich, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind. Die Lotterieregulierung muss sich zweitens politisch bewähren, insbesondere mit Blick auf die erheblichen Lottomittel, die eingespielt und segensreich für das Gemeinwohl eingesetzt werden. Sie muss sich schließlich gesellschaftlich bewähren, nicht nur hinsichtlich der Gemeinwohlförderung, sondern auch mit Blick auf die Bedeutung von Lotto für die Alltagskultur.
Prof. Dr. Jörg Ennuschat ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht, an der Ruhr-Universität Bochum.
Dieser Text erschien in der Fachzeitschrift „Beiträge zum Glücksspielwesen“ Ausgabe 3/2017. Diese kann hier im Jahresabo oder einzeln bestellt werden.