von Katarina Heidrich
Zur Jahreskonferenz der Regierungschefs der Länder Ende Oktober trafen sich 14 der 16 Ministerpräsidenten in Hamburg, um länderspezifische Themen zu beraten und gemeinsame Positionen zu erarbeiten, die im besten Falle in einer konsensuellen Beschlussempfehlung münden. In einigen Bereichen – wie beispielweise der Digitalisierung der Verwaltung – herrschte schnell Einigkeit. In anderen ist es scheinbar schwieriger, inhaltlich auf einen Nenner zu kommen. Bestes Beispiel: der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV). Im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hatten die Länder Nordrhein-Westfalen und Berlin bereits einen Beschlussvorschlag eingebracht, um eine gemeinschaftliche glücksspielrechtliche Anschlussregelung aller 16 Länder ab dem 1. Juli 2021 zu schaffen. Hierin waren Prüfaufträge für die länderoffene Arbeitsgemeinschaft der Chefs der Staatskanzleien (CdS-AG) enthalten, die zu einem sehr konkreten Fahrplan zur Erarbeitung eines neuen Staatsvertragsentwurfs bis März 2019 geführt hätten. Dieser Beschlussvorschlag, datiert auf den 18. Oktober 2018, verankert eine Suche nach Lösungen für die Verlängerung der Experimentierklausel für Sportwetten, für die Neubegründung des Lotterieveranstaltungsmonopols und auch die qualitative Regulierung der Online-Casino-Angebote.
Doch am Abend des Kamingesprächs am 24. Oktober wurde kurzfristig ein überarbeiteter Beschlussvorschlag – ebenfalls mit Absender Nordrhein-Westfalen und Berlin – vorgelegt, der sich vom ersten fundamental unterscheidet. Während im ersten, umfassenderen Entwurf die Frage nach der Schaffung einer personell und technisch adäquat ausgestatteten Genehmigungs- und Vollzugsbehörde speziell für den Online- Bereich gestellt wurde, spielte dies im zweiten Beschluss keine Rolle mehr. Dort ist lediglich die Rede von einer gemeinsamen Einrichtung der Länder zum Vorgehen gegen illegale Glücksspielangebote. Gleiches gilt für das im ersten Beschlussvorschlag angeregte Erlaubnismodell von Online-Casinospielen ohne quantitative Begrenzung der Zahl der Anbieter als Alternative zum bisherigen Verbot.
Die verschiedenen Beschlussvarianten spiegeln offenbar die unterschiedlichen Flügelpositionen der Länderpositionen wider. So wird die CdS-AG im zweiten Beschlussvorschlag beauftragt, konkrete Vorschläge für eine Wiedereinführung einer gesonderten Eingriffsbefugnis zum Vorgehen gegen Provider (z.B. IP-Blocking) vorzulegen. Auch wird plötzlich die Kontrolle von Zahlungsströmen – also das sogenannte Payment-Blocking – akzentuiert. Die Gefahr dieser (zusammengestampften) Beschlussvorschlag liegt in einer Minimalerfüllung: im Grunde zeichnet sich hier der Stand von vor zehn Jahren ab, der nicht die aktuellen Entwicklungen im Glücksspielsektor widerspiegelt. Stattdessen wird autosuggestiv das Mantra des verbesserten Vollzugs wiederholt. Der Vollzug hat, zumindest so wie ihn nun anscheinend wieder einige Bundesländer (und ihre Landeslotteriegesellschaften) priorisiert haben, aus vielen rechtsstaatlichen und technischen Gründen die letzten zehn Jahre nicht funktioniert.
Doch wie geht es nun weiter? Bis zum05. Dezember 2018 müssen Vorschläge für den weiteren Umgang mit der Experimentierklausel für Sportwetten folgen und bis Ende März 2019 muss ein einheitlicher Gesamtvorschlag für die Anschlussregelung des Staatsvertrags vorliegen. Für die Sportwetten-Herausforderung gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten, wie die Länder sich einigen könnten. Die erste Variante würde bedeuten, das Konzessionsverfahren komplett neu zu starten. Doch wer soll das übernehmen? Hessen sicher nicht. Die zweite Variante, die die Länder eventuell präferieren, wären vorläufige Lizenzen auf der Basis der zweiten Runde des Konzessionsverfahrens. Allerdings gibt es Anbieter, die keine 2. Runde-Lizenz haben. Sie haben sich gar nicht erst beworben, da es sich aus ihrer Sicht um kein rechtsstaatliches Verfahren handelte. Aus diesem Grund wird Variante drei umso wahrscheinlicher: die Lösung bis 2021 mithilfe eines Vollzugsmoratoriums.
Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) warnt hingegen davor, die Entscheidung weiter auf die lange Bank zu schieben. Der Umgang mit Sportwetten bliebe so weiterhin ein ungelöstes Problem. Luka Andric, Hauptgeschäftsführer des DSWV, betont mit Blick auf eine Online-Regulierung: “Eine Fortführung der bisherigen “Aus den Augen aus dem Sinn”-Politik wäre für alle Beteiligten fatal. In Europa gibt es zahlreiche Beispiele, wie eine gut funktionierende Online-Regulierung umgesetzt werden kann: Großbritannien und Dänemark haben vorbildliche Regulierungsmodelle. Auch in Deutschland hat Schleswig-Holstein in der Vergangenheit einen sinnvollen Weg vorgezeichnet.” Die letzten zehn Jahre hätten deutlich gezeigt, dass Verbraucher in Deutschland – wie in allen anderen europäischen Staaten – Online-Produkte in zunehmendem Maße nachfragen. Andric ruft deshalb die Bundesländer auf, diesen Markt ordnungs- und wirtschaftspolitisch zu behandeln.
Viel wichtiger aber wird es sein, das Lotterieveranstaltungsmonopol wesentlich umfassender zu begründen. Denn schon jetzt deutet sich an, dass Gerichte beginnen, die Umsetzung der Suchtprävention im Lotteriemonopol in Frage zu stellen. Am Ende bleibt, im besten Fall, dann zwar immer noch ein höchstrichterlich bestätigtes Monopol, allerdings ohne Werbung, ohne Marketingaktivitäten und – ebenfalls denkbar – mit nur einer bundesweiten Lotteriegesellschaft. Hier sei der Blick nach Finnland empfohlen.
Es liegt mindestens ein substantieller Vorschlag zur Neufassung des Lotteriemonopols auf dem Tisch. Weitgehend wird es auf das Veranstaltungsmonopol, also die Ziehung der Zahlen, fokussiert. Der Staat sichert im Monopol, dass aufgrund der hohen Gewinnsummen alles rechtmäßig abläuft. Eine sehr gewichtige Anzahl der Länder ist der Auffassung, das Monopol zukünftig mit der Betrugs- und Manipulationsgefahr zu begründen. So äußerten sich zuletzt etwa Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Erst wenn das Lottomonopol mit der Neubegründung verankert ist, kann man sich der Online-Casino-Herausforderung annehmen. Eine große Anzahl der Länder hat erkannt, dass der Verbraucherschutz nur in einem regulierten Umfeld möglich ist. Im Vollzug durch Blocking und andere Verfahren den Zugang zu Internetangeboten zu verhindern, ist nahezu unmöglich. Und selbst wenn, sind doch der Aufwand und das Verfahren politisch kaum durchsetzungsfähig. Vorausschauende Länder weisen in einer Positionsübersicht darauf hin, dass es ein Erlaubnismodell geben sollte ohne quantitative Begrenzung. Zu diesen Ländern gehören z.B. Schleswig-Holstein, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz und auch Thüringen. Man will offensichtlich die Fehler nicht wiederholen und spricht stärker über Kriterien der Zulassung und der Qualität. Gegenwärtig finden hierzu Beratungen im Länderkreis statt.
Der Deutsche Online Casinoverband fordert, Regulierungsoptionen auch und gerade für Online-Casino-Angebote nun konsequent anzugehen, denn auch hier sieht man die zunehmende Verlagerung der Verbrauchernachfrage in den digitalen Bereich. “Der Vorstoß einiger Bundesländer, diesen Markt aus dem bisherigen rechtlichen Graubereich herauszuholen und einer modernen Regulierung zu unterwerfen, ist daher sehr vernünftig. Wir brauchen für Online- Angebote ähnliche Kontroll- und Verbraucherschutzstandards, wie wir sie bereits aus stationären Angeboten in lizensierten Spielhallen und Spielbanken kennen. Seriöse und zuverlässige Anbieter müssen eine Lizenz in Deutschland erhalten und legal anbieten können”, heißt es vom Verband.
Mit einer qualitativen Casino-Lösung ergeben sich dann auch für die landeseigenen und privaten terrestrischen Spielbankengesellschaften völlig neue Entwicklungsmöglichkeiten. Ein Beispiel: Das Live-Roulette im Internet, durchgeführt von echten Croupiers an echten Tischen ist ein beliebtes Produkt. Man könnte die terrestrischen Spielbanken mit dieser Angebotserweiterung aufwerten und eine Perspektive für die Zukunft eröffnen.