Lotteriespiel ist kein marktrationales Konsumverhalten
(Martin Stadelmaier) So gerne Menschen gegen Geldeinsatz spielen, wetten und gelegentlich zocken – Glücksspiele sind aus guten Gründen kein normales Wirtschaftsgut oder harmloses Freizeitvergnügen. Spielsucht, werblicher Anreiz zu riskanterem Spiel, hohe Spielfrequenzen, Manipulationsgefahren, Begleitkriminalität, sie alle gehen grundsätzlich mit Glücksspielen einher. Zu Recht unterliegen sie seit Jahrzehnten strengen Restriktionen. Rein marktwirtschaftliche Lösungen kommen hier früher und nachdrücklicher an ihre wirtschaftsethischen und gesellschaftlich verträglichen Grenzen als in den meisten anderen Wirtschaftsbereichen.
Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH, Yves Bot) hat dies im Plädoyer im Fall „Liga Portuguesa“ 2008 auf den Punkt gebracht: „Der Wettbewerb ist ein Gewinn für die Verbraucher… Diese Vorteile kommen je-doch im Bereich des Glücks- und Geldspiels nicht zum Tragen.“ Der Generalanwalt weiter: „Auch sehe ich nicht, worin der Fortschritt läge, wenn für den Verbraucher die Möglichkeit verbessert würde, an den in den einzelnen Mitgliedsstaaten veranstalteten nationalen Lotterien teilzunehmen und auf die in der Union veranstalteten Pferdewetten und Sportwettkämpfe Wetten abzuschließen. …“ (Urteil Liga Portuguesa, Rs. C-42/07, Schlussanträge des Generalanwaltes, EU:C:2008:560, Rz. 245 ff.) Der EuGH ist hier und später dieser Einschätzung ausdrücklich gefolgt. Im Urteil „Digibet und Albers“ führte er 2014 aus: „Insoweit ist zunächst auf den besonderen Charakter des Bereichs der Glücksspiele hinzuweisen, wo im Gegensatz zur Einführung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs auf einem traditionellen Markt die Betreibung eines derartigen Wettbewerbs auf dem sehr spezifischen Markt für Glücksspiele, d.h. die die gleichen Glücksspiele betreiben dürfen, insofern nachteilige Folgen haben könnte, als diese Veranstalter versucht wären, einander an Einfallsreichtum zu übertreffen, um ihr Angebot attraktiver als das ihrer Wettbewerber zu machen, sodass für die Verbraucher die mit dem Spiel verbundenen Ausgaben und die Gefahr der Spielsucht erhöht würden“. (Urteil Digibet und Albers, Rs. C-156/13, EU:C:2014:1756, Rz. 31)
Dieser Text erschien in voller Länger in der Fachzeitschrift „Beiträge zum Glücksspielwesen“ Ausgabe 3/2016. Diese kann hier im Jahresabo oder einzeln bestellt werden.
Martin Stadelmaier (SPD) war von 2003 bis 2013 Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz. Seit 2014 ist er Leiter des Berliner Büros des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB).