Die Fraktionen bitten den Landtag Folgendes zu beschließen:
Der Hessische Landtag nimmt zur Kenntnis, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag am 22.09.2017 beschlossen hat, den Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag (2. GlüÄndStV) nicht zu ratifizieren und dass die Nordrhein-Westfälische Landesregierung daraufhin mitgeteilt hat, dies ebenfalls nicht zu tun. Mangels der erforderlichen Zustimmung aller Bundesländer kann der 2. GlüÄndStV somit nicht in Kraft treten.
Das hessische Parlament bedauert, dass der 2. GlüÄndStV eh einen Minimalkonsens der Bundesländer darstellte. Es bestehen außerdem rechtliche Bedenken im Hinblick auf eine eventuelle Diskriminierung von Anbietern, welche keine vorläufige Sportwett-Konzession erhalten sollen.
Eine nun anzustrebende grundlegende Neuausrichtung des Glücksspieländerungsstaatsvertrags (GlüÄndStV) sollte den Glücksspielmarkt umfassend regulieren, einen vernünftigen Spielerschutz sicherstellen sowie das illegale Spiel und den Schwarzmarkt wirksam bekämpfen. Durch die bisherige, am Spielverhalten der Bürger vorbeigegangene Regulierung sind 98% der Spieleinsätze des Online-Glücksspielmarkts illegal.
Der hessische Landtag sieht keine Notwenigkeit mehr, den Ratifizierungsprozess zum 2. GlüÄndStV fortzusetzen.
Als Folge des Scheiterns verbleiben die bundesweiten Zuständigkeiten für die Spielersperrdatei OASIS, die Vergabe der Sportwettenkonzessionen, die Erteilung von Erlaubnissen für und die Überwachung von Pferdewetten im Internet sowie die Gemeinsame Geschäftsstelle Glücksspiel weiter in Hessen.
Das hessische Parlament bedauert, dass Sportwetten weiterhin illegal sind und somit auch 91% des Sportwettmarktes in Deutschland formell illegal bleiben.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung, sich um Neuverhandlungen zu bemühen. Die „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ (Beschluss vom 22.06.2017, Drs. 19/2644) sollen zur Grundlage der Verhandlungen und für eine erfolgreiche Ausgestaltung des Glücksspielrechts in Deutschland genutzt werden:
Leitlinie 1: Regulierung von Casino- und Pokerspielen im Internet
Das Verbot von Onlinecasino- und Onlinepokerspielen hat die gesetzgeberischen Intentionen des §1 GlüÄndStV von 2012 nicht erfüllt. Onlineglücksspiele sind inzwischen zum größten Schwarzmarkt in Deutschland geworden. Aus diesem Grund und auch im Sinne des Spieler- und Jugendschutzes soll eine Regulierung stattfinden.
Daher fordert der Hessische Landtag eine Erlaubniserteilung für Onlinecasino- und Onlinepokerspiele mit der Schaffung eines Steuertatbestandes und ohne eine quantitative Beschränkung. Leitlinie 2: Aufhebung der Zahl der zu vergebenden Sportwettenkonzessionen
Eine quantitative Begrenzung der Sportwettenkonzessionen wird dem Markt nicht gerecht und führt nicht zu einer Begrenzung des Angebots. Stattdessen führen die Klagen der unterlegenen Anbieter zu einem Stillstand des Marktsegments. Es bestehen zudem europarechtliche Bedenken an der Begrenzung der zu vergebenden Konzessionen auf die Zahl 20. Nur die Aufhebung der Kontingentierung und die Einführung eines Erlaubnisverfahrens werden zu einer erfolgreichen Regulierung führen.
Leitlinie 3: Internet – Höchsteinsatzgrenze von 1.000 €; Anforderung an die Registrierung im Internet
Die Begrenzung des Höchsteinsatzes auf 1.000€ im derzeitigen Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist weder marktgerecht noch für den Spieler- und Jugendschutz hilfreich. Die Folge ist vielmehr eine Abwanderung in den Schwarzmarkt. Suchtexperten raten dagegen zu einer monatlichen Verlustgrenze. Die Anforderungen der Kommission für Jugendmedienschutz an die Registrierung im Internet sind zudem derart hoch, dass Studien zufolge 50% bis 70% der Spieler die Anmeldung abbrechen. Vor diesem Hintergrund bietet sich die Einführung einer Selbstlimitierung durch den Spieler und die Einführung eines Verlustlimits an, um eine Abwanderung der Spieler zu illegalen Anbietern zu verhindern.
Leitlinie 4: Glücksspielkollegium – Zusammenarbeit der Länder; Gründung einer gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts
Die notwendige Zusammenarbeit der Länder soll in einer zu gründenden, gemeinsamen Anstalt des öffentlichen Rechts stattfinden.
Das durch den GlüÄndStV geschaffene Glücksspielkollegium arbeitet ineffektiv und konnte keine erfolgreiche Marktregulierung oder den Vollzug gegen illegale Anbieter gewährleisten. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat Kritik an der mangelnden demokratischen Kontrolle des Glücksspielkollegiums geübt und es als verfassungswidriges Gremium bezeichnet (VGH Beschluss v. 05.11.2015; Az. 8 A 14/98/16.Z).
Eine Anstalt des öffentlichen Rechts (mit Sitz in Hessen) kann auch den Wunsch nach einer effektiven Zusammenarbeit besser gewährleisten. Diese auf rechtsstaatlichen Grundlagen arbeitende Behörde kann für die bundesweite Erteilung der Interneterlaubnisse, die Aufsicht sowie die Untersagung unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür im Internet zuständig sein. So würde die Erlaubnis- und Vollzugsverfahren gebündelt.
Leitlinie 5: Bundesweite zentrale Sperrdatei/Hessische Sperrdatei für Spielhallen; Anschluss der Spielhallen an die bundesweit zentrale Sperrdatei
Hessen betriebt die bundesweite zentrale Sperrdatei für die Lotteriegesellschaften, die Spielbanken und die Sportwettkonzessionäre sowie eine eigene Sperrdatei für die hessischen Spielhallen. Für eine ernsthaft am Spielerschutz orientierte Glücksspielpolitik ist der spielformübergreifende Schutz der Spieler unerlässlich. Wer sich einer solchen Forderung widersetzt, nimmt die Gefahren des Glücksspiels und die Erkrankung der Süchtigen nicht ernst. Die Forderung nach einer spielformübergreifenden Sperrdateiunterstützen auch der Fachbeitrat sowie die Vertreter der AG Suchthilfe der obersten Landesgesundheitsbehörden.
Abschließend warnt der Landtag, dass der aktuelle Glücksspieländerungsstaatsvertrag durch sein inkohärentes Regulierungsregime die Zukunft des Lotteriemonopols gefährdet. Das Verwaltungsgericht München hat die die Rechtmäßigkeit des Lotteriestaatsmonopols schon in Frage gestellt (Urteil v. 25.07.2017; Az. M 16 K 12.1915). Die obigen Leitlinien sollen das Ziel verfolgen, Glücksspiel vor dem Hintergrund der Europäischen Verträge sowie der eigenen Rechtsprechung schlüssig und rechtssicher zu gestalten. Das Lotteriestaatsmonopol soll erhalten bleiben.
Die Begründung zu dem Dringlichkeitsantrag erfolgt mündlich.
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