„Steuergerechtigkeit – Fehlanzeige; Transparenz – Fehlanzeige. Die aktuelle Glücksspielregulierung ist ein Gemurkse, ein herrenloses Durcheinander“, beschrieb Martin Gerster (SPD), Mitglied des Haushaltsausschusses im Bundestag, diese Woche auf dem Bundeskongress zum Glücksspielwesen die aktuelle Situation auf dem Glücksspielmarkt. Der Behörden Spiegel veranstaltete in Berlin bereits zum dritten Mal die alljährliche Fachkonferenz, bei der es um die Frage ging, wie die bis 2021 notwendige neue Regulierung zwischen den zerstrittenen Ländern erreicht werden kann.
Martin Stadelmaier, Leiter des Berliner Büros des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB), überraschte auf dem Podium mit einer gänzlich konträren Einschätzung zur Glücksspielregulierung. Die Glückspielregulierung habe sich als rechtlich außerordentlich stabil erwiesen, befand der Lottovertreter. Die Rechtsprechung habe gezeigt, dass nicht nur ein Online-Verbot rechtmäßig, sondern auch die ursprünglich geplante Begrenzung der Sportwettenkonzessionen auf 20 in einer Experimentierphase richtig sei. Bund und Länder wären von allen guten Geistern verlassen, wenn sie die in den letzten Jahren gewonnene Stabilität aufgeben würden. „Die Gerichtsurteile sollten als das genommen werden, was sie sind: wichtige Beiträge zur Befriedung und einer guten Glücksspielregulierung“, so Stadelmaier.
Unter den Diskutanten fand diese Einschätzung nur wenig Zustimmung. „Aktuell befinden wir uns bei der Glücksspielregulierung in einem rechtlichen Schwebezustand“, befand Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Institutes for Competition Economics. Auch Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Rechtsexperte an der Universität Augsburg, widersprach vehement. Die derzeitige Glücksspielregulierung sei nicht nur politisch, sondern auch juristisch gescheitert. Dies zeige sich laut Kirchhof in der erheblichen rechtlichen Unsicherheit. Pro Monat würden ca. zehn Gerichtsentscheidungen in diesem Bereich gefällt.
„Wir brauchen eine große Reform und eine kraftvolle Aufsichtsfunktion in diesem Bereich“, so Kirchhof. Letzteres könne in Form einer Bundesbehörde umgesetzt werden. Auch Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages, sieht den Staat bei der Glücksspielregulierung im Zugzwang: „Es kann nicht sein, dass wir unregulierte Teile eines Marktes haben und in Folge dessen dort auch keinen Verbraucherschutz durchsetzen können. Der Staat hat hier einen Schutzauftrag!“ Das Scheitern des 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrages solle als „Chance der Zeit“ genutzt werden und zukünftig durch eine Liberalisierung des Marktes die Regulierung aller Bereiche des Glücksspiels möglich gemacht werden, forderte Sensburg.
Die Vorstellung einiger Diskutanten, der Bund käme hier zu einer besseren Lösung als die Länder, wies Stadelmaier als Illusion von der Hand: „Sehen Sie sich nur die Bundeswehr an.“ Auch der Bundestagsabgeordnete Sensburg, sieht den Bund nicht in der Rolle des Machers. Man wolle den Ländern keine Kompetenzen wegnehmen, aber mit in der Diskussion bleiben und den Ländern „zaghaft Druck machen“. Deutlicher wurde hier Martin Gerster: „Die Länder kriegen das nicht auf die Reihe. Ich sehe hier den Bund in der Pflicht sich einzuschalten“. Er sei zu diesem Thema bereits interfraktionell mit einigen Kollegen im Gespräch. In einem nächsten Schritt wolle man auch mit dem Bundesfinanz- und dem Bundesinnenministerium dazu in Kontakt treten, um das Thema auf Entscheiderebene zu bringen.