Am 23. Juni hat der Deutsche Bundestag das Rennwett- und Lotteriegesetz verabschiedet – entgegen der vielstimmigen Kritik am Gesetzentwurf, die Anfang Juni bei der Expertenanhörung im Finanzausschuss des Bundestages sowie im Rahmen einer Online-Diskussionsrunde des Behörden Spiegel deutlich geworden war.
Das Rennwett- und Lotteriegesetz wurde 1922 in seiner heutigen Form verabschiedet und seitdem nur geringfügig geändert und angepasst. 2012 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz letztmalig geändert und die Besteuerung von Sportwetten aufgenommen. Nun wurden dort Online-Poker und das virtuelle Automatenspiel mit aufgenommen. Anders als beim terrestrischen Glücksspiel, wo der Teil der Einnahmen, der nicht wieder als Gewinn ausgeschüttet wird, mit rund 25 Prozent besteuert wird, werden beim Online-Glücksspiel die Spieleinsätze nun mit 5,3 Prozent besteuert. Die Länder gehen von Steuermehreinnahmen in Höhe von 365 Millionen Euro jährlich aus.
Gänzlich anders sieht es Renatus Zilles vom Deutschen Verband für Telekommunikation und Medien (DVTM). Er wies im Finanzausschuss des Bundestages darauf hin, dass eine Einsatzbesteuerung viele Spieler in den Schwarzmarkt treiben würde, da die Ausschüttungsquoten dann deutlich schlechter würden. Bei den im Online-Glücksspiel üblichen Ausschüttungsquoten würde ein Steuersatz von 5,3 Prozent des Einsatzes einer etwa 125-prozentigen Besteuerung der Einnahmen entsprechen. Die Anbieter müssten, um weiterhin wirtschaftlich zu sein, ihre Auszahlungsquote auf ein Niveau senken, das die Spieler in den Schwarzmarkt treibe, so Zilles. Im Ergebnis würden damit die Steuereinnahmen sinken, anstatt zu steigen.
Negativkanalisierung in den Schwarzmarkt
Professor Justus Haucap sieht dies ähnlich. Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 wolle die Spieler möglichst in einen regulierten Markt ziehen, könnte aber an einer unsachgemäßen Besteuerung scheitern. Bei dem nun beschlossenen Steuersatz würden vor allem Intensivspieler abwandern, so der Ökonom. Frankreich, das als bisher einziges EU-Land bei Online-Poker den Einsatz besteuert habe, habe sich wegen dieser Folgen gerade zu einem Wechsel hin zu einer Ertragsteuer entschieden.
Der Bundestagsabgeordnete Stefan Schmidt (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) ist Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages und verteidigt die Verortung der Online-Steuer im Rennwett- und Lotteriegesetz: „Wir sehen die Online-Glücksspiele da richtig angesiedelt, da sie eher Sportwetten gleichen als den terrestrischen Angeboten des Glücksspieles.“ Auch die viel kritisierte Bemessungsgrundlage hält er für richtig: „Aus meiner Perspektive entspricht es der Logik des Rennwett- und Lotteriegesetztes, denn alle Spielarten werden dort anhand des Spieleinsatzes besteuert.“ Zudem sei der Bruttospielertrag zu gestaltungsanfällig. Veranstalter könnten zusätzliche Einnahmen – zum Beispiel durch Anmeldungen auf der Homepage – erhalten, für die keine Steuer abgeführt werden müssten. Eine Steuer in Höhe von 5,3 Prozent sei, so Schmidt, zudem „relativ moderat“.
Der vollständige Beitrag erschien in der Fachzeitschrift „Beiträge zum Glücksspielwesen“ Ausgabe 2/2021. Diese kann hier im Jahresabo oder einzeln bestellt werden.