Am 23. Juni hat der Deutsche Bundestag das Rennwett- und Lotteriegesetz verabschiedet. Seitdem reist die Kritik an der Besteuerung für das Online-Glückspiel nicht ab. Anders, als beim terrestrischen Glückspiel, wo der Teil der Einnahmen, der nicht wieder als Gewinn ausgeschüttet wird, mit rund 25 Prozent besteuert wird, werden beim Online-Glückspiel die Spieleinsätze mit 5,3 Prozent besteuert.
Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) und die European Gaming and Betting Association (EGBA) haben bei der Europäischen Kommission eine formelle Beihilfebeschwerde gegen die Besteuerung eingereicht. Der DSWV und die EGBA sind der Ansicht, dass die vorgeschlagene Steuer gegen die EU-Beihilfevorschriften verstößt, da sie nur für Online-Anbieter gelte und zur Folge hätte, dass Spieleinsätze bei Online-Poker und virtuellen Automatenspielen in Deutschland mit deutlich höheren Sätzen besteuert würden als bei stationären Glücksspielangeboten.
In einem Webinar des Behörden Spiegel diskutierten daher Dr. Clemens Holtmann, der die Beihilfebeschwerde für den DSVW verfasst hat, mit Prof. Dr. Justus Haucap, ist Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE), und Prof. Dr. David Hummel von der Universität Leipzig, über die Gründe und Erfolgsaussichten der Beihilfebeschwerde.
Während der Jurist Holtmann und auch der Ökonom Haucap aufgrund der Besteuerung für das Online-Glückspiel durchaus beihilferechtliche Bedenken sehen, konnte der Beihilferechtsexperte Prof. Hummel diese Argumentation nicht teilen.
Dr. Holtmann Er führte aus, dass Anbieter des virtuellen Automatenspiels, aufgrund der Besteuerung auf den Spieleinsatz eine deutlich höhere Steuerlast, als Anbieter im terrestrischen Bereich haben. Um die Einsatzsteuer begleichen zu können, ihre Ausschüttungsquote unter das international übliche Niveau absenken müssten. Dies erhöhe die Gefahr einer Abwanderung in den illegalen Markt.
Er erläuterte, dass der DSWV im Mai 2021 eine Beihilfebeschwerde bei der Kommission eigereicht habe. Die Kommission habe daraufhin ein vorläufiges Prüfverfahren eingeleitet und die deutschen Behörden zu Stellungnahmen aufgefordert. Aus Sicht der Beschwerdeführer sei dies ein erfreuliches Zeichen, denn damit habe die Kommission gezeigt, dass sie das Verfahren nicht per se für aussichtslos halte. Seiner Kenntnisnahme haben die Behörden in Ihren Stellungnahmen zur Begründung der unterschiedlichen Besteuerung darauf hingewiesen, dass das terrestrische Automatenspiel mit der Vergnügungssteuer belegt werde und die Besteuerung des virtuellen Automatenspiels und von Online-Poker mit der Einsatzsteuer der Herstellung von Steuergerechtigkeit, quasi als Ausgleich zur Nichtbelegung mit der Vergnügungssteuer, diene.
Holtmann kritisierte, dass es mit der Besteuerung zu einer Besserstellung des terrestrischen Automatenspiels komme. Zudem sei die Belegung des terrestrischen Automatenspiels mit der kommunalen Vergnügungssteuer wie von den Behörden in ihrer Stellungnahme an die Kommission angeführt, kein Teil der „normalen“ Glücksspielbesteuerung und daher nicht zu berücksichtigen. Denn die Steuer werde nicht deutschlandweit erhoben. In Bayern werde sie gar nicht und in anderen Bundesländern nicht durchweg erhoben. Die teilweise Erhebung der Vergnügungssteuer sei für beihilfenrechtliche Beurteilung daher irrelevant. Anders als Hummel (siehe unten) sieht Holtmann hier auch eine tatsächliche und rechtliche Vergleichbarkeit von virtuellem und terrestrischem Angebot. Er leitet dies aus einem Parallelverfahren der Kommission zum „DanishGaming DutiesAct“ (Staatl. Beihilfe C 35/2010) ab.
Holtmann, wie auch Haucap führten ein Beispiel an, wonach die Europäische Kommission im Jahr 2011 in einem dänischen Fall genau den umgekehrten Fall genehmigt hatte. Also eine geringere Besteuerung des Online-Spiels im Vergleich zum terrestrischen Spiel. Hintergrund der Entscheidung war, dass das dänische Spielsteuergesetz vorsah, dass Online-Anbieter von Casinospielen und Spielautomaten eine Bruttospielertragsteuer von 20 % entrichten sollten, während herkömmliche Spielcasinos und Spielhallen bis zu 75 % abführen mussten. Die Europäische Kommission habe damals in ihrem Beschluss die deutlich niedrigere Besteuerung des Online-Glücksspiels in Dänemark im Vergleich zu stationären Angeboten eindeutig als staatliche Beihilfe ein. Die Kommission kam in ihrem damaligen Beschluss zudem zu dem Ergebnis, dass der niedrigere Steuersatz für Online-Glücksspiele zwar eine staatliche Beihilfe darstelle, diese jedoch mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vereinbar sei, da die positiven Auswirkungen der Liberalisierung des Marktes die verursachten Wettbewerbsverfälschungen aufwiegen würden. Bei ihrer Prüfung habe die Kommission explizit berücksichtigt, dass die Nutzer von Online-Glücksspielen auf Angebote zurückgreifen können, die teilweise illegal von Betreibern in anderen Ländern zur Verfügung gestellt werden oder einer niedrigen bzw. gar keiner Besteuerung unterliegen. Hohe Steuern für dänische Online-Betreiber würden die Liberalisierung in ihrer Wirkung zunichtemachen. Die Kommission hielt fest, dass die anderen Ziele des Gesetzes darin bestehen, illegale Glücksspiele in den Bereich der Legalität zu bringen und gleichzeitig junge Menschen und Risikogruppen vor Spielsucht zu schützen. Die in Deutschland geringere Besteuerung des stationären Glückspiels lasse sich somit sachlich nicht rechtfertigen und dürfte von der Europäischen Kommission damit als unzulässige Beihilfe eingestuft werden, so Haucap.
Eine gänzlich andere Position vertrat in der Diskussion Prof. Hummel. Am Beispiel eines progressiven Steuersatzes machte er deutlich, dass es durchaus nachvollziehbar sei, mit einem höheren Steuersatz ein umsatzstärkeres Unternehmen stärker als ein umsatzschwaches zu belasten. Selbst ohne Berücksichtigung eines Spielraums eines Gesetzgebers und erst recht mit Berücksichtigung des Spielraums eines Gesetzgebers, müsse man sagen, dass die Umsatzgröße ein nachvollziehbarer Indikator für die Differenzierung im Steuerrecht sei. Dann spitze sich die Frage, so Hummel, hier nur noch darauf zu, ob die Art des Angebotes – also online versus terrestrisch – ein nachvollziehbarer Indikator für die Differenzierung im Steuerrecht sei.
Eine ähnliche Frage habe der Europäische Gerichtshof bei einer ermäßigten Mehrwertsteuer für Bücher bereits beantwortet. Hier existierte für elektronische Dienstleistungen, wie E-Books, ein höherer regulärer Steuersatz. Der Gerichtshof sei hier zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gleichberechtigungsgrundsatz es nicht verlange, dass elektronische Bücher und analoge Bücher gleichermaßen besteuert werden.
Hummel sehe keine Pflicht der Mitgliedsstaaten, im Bereich des Glückspiels alle Spielformen im Umsatzsteuerrecht gleich zu behandeln. Es falle ihm daher schwer hier die Mehrwertsteuer oder das Rennwettlotteriegesetz als Referenzsysteme zu sehen. Man habe hier stattdessen zwei verschiedene Referenzsysteme, eines für die analogen Glückspielangebote, und eines für die digitalen Glückspielangebote. Steuerbelastungsunterschiede existieren zwar, sie seien aber nicht zwangsläufig immer eine Verletzung des Beihilfegebotes.
Die Frage, wann etwas vergleichbar ist, im Sinne des Steuergegenstandes, sei eine originäre Entscheidung im Sinne des Gesetzgebers. So sei auch die fehlende Teesteuer keine Subventionierung des Teehandels, obwohl es eine Kaffeesteuer gebe. Der Referenzrahmen sei hier nicht eine imaginäre Getränkesteuer, sondern der Steuergegenstand sei einmal Kaffee und einmal der Tee. Diese Auswahlentscheidung des Gesetzgebers sei seines Erachtens so gut wie nicht juristisch angreifbar. Dies sei eine politische Entscheidung. Er habe Bauchschmerzen, in einer unterschiedlichen Art der Besteuerung für unterschiedliche Dienstleistungen – einmal analog und einmal terrestrisch – eine Begünstigung des einen oder eine Benachteiligung des anderen zu sehen. Beide seien seines Erachtens nicht substituierbar und daher in einer nicht vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Situation.
Mit Lora Köstler-Messaoudi vom Behörden Spiegel diskutierten Dr. Clemens Holtmann, Kanzlei Redeker Sellner Dahs, Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE), und Prof. Dr. David Hummel Beihilferechtsexperte von der Universität Leipzig. (Screenshot: BzGw)
Ein ausführlicher Nachbericht erscheint in der kommenden Ausgabe 4/2021 der Fachzeitschrift „Beiträge zum Glückspielwesen“.
Teilnehmer des Webinars, sowie Abonnenten der Fachzeitschrift stellen wir die Präsentationen der drei Referenten auf Anfrage (redaktion@gluecksspielwesen.de) kostenlos zur Verfügung.