Interview mit Staatssekretär Christian Gaebler, Chef der Senatskanzlei Berlin
Beiträge zum Glücksspielwesen: Was ist zu tun, damit der Vollzug gegen illegale Glücksspielangebote (terrestrisch/online) wirksam wird? Welche technischen Möglichkeiten (bei online) präferieren Sie und welche halten Sie für durchsetzungsfähig?
Gaebler: Ein effektiver Vollzug gegen illegale Glücksspielangebote setzt zunächst eine adäquate personelle und sachliche Ausstattung der involvierten Behörden der verschiedenen Aufsichtsstränge voraus. Im Speziellen sollten dem Vollzug unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit entsprechende Instrumente an die Hand gegeben werden, dies schließt insbesondere die Schaffung von Rechtsgrundlagen/Vollzugsmöglichkeiten für IP-Blocking sowie die Schärfung der Möglichkeiten für Payment-Blocking ein.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Nach der letzten MPK scheint eine Lösung für die Fortsetzung des privaten Angebots von Sportwetten in Sicht: mit der Aufhebung der Befristung der Experimentierphase und der Limitierung der Anbieteranzahl auf max. 20. Jetzt werden die Kriterien für die Anbieter ausgearbeitet. Was sind Ihre Vorstellungen des Umfangs des privaten Angebots? Kommt es hier zu einem Erlaubnismodell?
Gaebler: Im Glücksspielwesen ist der Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages mit den geltenden Regulierungsbedingungen bis mindestens Ende Juni 2021 Maßstab staatlichen Handelns im Land Berlin. Die Frage einer gemeinschaftlichen Anschlusssportwettregulierung ist Gegenstand laufender Beratungen im Länderkreis. Einem Erlaubnismodell steht die Mehrheit der Länder dabei sehr aufgeschlossen gegenüber, allerdings wird es auf die Regelungen im Detail ankommen. Unabhängig davon ist es für das Land Berlin von besonderer Bedeutung, dass insbesondere die Ziele der Sucht- und Kriminalitätsbekämpfung, des Jugend- und Spielerschutzes in allen Sektoren des Glückspielwesens weiterhin herausgehobene Berücksichtigung in einer materiell-rechtlichen Sportwettregulierung finden.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Die Rahmenbedingungen müssen für die Anbieter und Kunden gleichermaßen attraktiv sein. Eine zu restriktive Ausgestaltung des Marktes und Produktes könnte die Akzeptanz einer deutschen Lizenz von Anfang an unterlaufen. Was sagen Sie dazu?
Gaebler: Für das Land Berlin ist die Umsetzung der in § 1 GlüStV genannten Schutzziele (Spielsucht, Jugend- und Spielerschutz) prioritär. Nach hiesiger Auffassung bestehen keine Bedenken, dass mittels sachgerecht restriktiver Glücksspielangebote – bei gleichzeitiger konsequenter Unterbindung illegaler Glücksspielangebote – ein von allen Seiten akzeptierter Glücksspielmarkt geschaffen werden kann.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Die Richtlinien für die Lizenzen ab 2020 werden vom Regierungspräsidium Darmstadt erarbeitet. Wie funktioniert das Briefing? Wer ist deren Ansprechpartner?
Gaebler: Gemäß § 9a Abs. 2 Nr. 3 GlüStV ist das Land Hessen für die Erteilung der Sportwettkonzessionen ländereinheitlich zuständig. Danach bringt das Regierungspräsidium Darmstadt Vorschläge für die Erteilung der Sportwettkonzessionen in das mit Vertretern aller Länder besetzte Glücksspielkollegium ein, wo Festlegungen und Entscheidungen in Fragen der Lizensierung von Sportwettveranstaltern dann verbindlich getroffen werden.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Bislang sind Online-Casinospiele verboten. Sehen Sie ein Erlaubnismodell kommen?
Gaebler: Der geltende Glücksspielstaatsvertrag ist im Rahmen zahlreicher Verfahren höchstrichterlich, auch auf europäischer Ebene, bestätigt worden und bietet daher allen Beteiligten große Rechtssicherheit. Das gilt insbesondere für den Online-Glückspielbereich: Mit Urteil vom 26.10.2017 hat das Bundesverwaltungsgericht das Internetverbot für Glücksspiele gemäß § 4 Abs. 4 sowie die entsprechenden engen Ausnahmen nach § 4 Abs. 5 GlüStV bestätigt. Die Frage einer gemeinschaftlichen Anschlussregulierung im Online-Glücksspielbereich ist Gegenstand laufender vertraulicher Beratungen im Länderkreis. Unabhängig davon ist es für das Land Berlin von besonderer Bedeutung, dass insbesondere die Ziele der Sucht- und Kriminalitätsbekämpfung, des Jugend- und Spielerschutzes in allen Sektoren des Glücksspielwesens weiterhin herausgehobene Berücksichtigung finden. Derzeit prüfen die Länder Maßnahmen zum effektiveren Vollzug gegen illegale Glücksspielanbieter.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Es wird von Opt-in und Opt-out gesprochen – also einem Staatsvertrag der zwei Geschwindigkeiten. Ist das realistisch, dass sich Bundesländer zusammentun und ein Produkt erlauben, andere dessen Angebot und Nutzung unter Strafe stellen?
Gaebler: Das Land Berlin spricht sich für eine rechtssichere und kohärente Glücksspielregulierung aus, die vorrangig den Schutz vor Spielsucht und die Ziele der Sucht- und Kriminalitätsbekämpfung, des Jugend- und Spielerschutzes in den Mittelpunkt stellt. Die Länder, insbesondere auch Berlin, arbeiten an einer Neuregelung des Glückspielstaatsvertrages, die nicht nur von allen 16 Ländern gemeinsam erarbeitet und in Kraft gesetzt, sondern auch einheitlich umgesetzt wird.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Auch hier gilt: Für eine Akzeptanz sorgt nur ein attraktives Spiel. Argumentiert aber wird vielfach, dass es aus Kohärenzgründen restriktiv reguliert werden muss, wie gegenüber dem Lottomonopol und auch den terrestrischen Angeboten. Können Sie das erklären?
Gaebler: Unabhängig vom Beratungsstand im Länderkreis über Eckpunkte eines möglichen Anschluss-GlüStV gilt, dass die jeweilige Regulierung der verschiedenen Glücksspielsektoren miteinander verknüpft ist. Gemäß dem vom Europäischen Gerichtshof und dem Bundesverwaltungsgericht bevorzugten horizontalen Kohärenzgebot, welches das gesamte nationale Glücksspielwesen umfasst, müssen alle Glücksspielsektoren gleichförmig im Sinne der damit verfolgten Ziele des Allgemeininteresses und damit geeignet, erforderlich und angemessen reguliert sein, um mit dem freien Dienstleistungsverkehr nach Art. 56 AEUV vereinbar zu sein. Ein ordnungsrechtliches Glücksspielregelwerk muss daher ein stimmiges, zusammengehöriges Gesamtbild ergeben. Die zweite aus dem Kohärenzgebot ableitbare Anforderung betrifft die Geeignetheit einer staatlichen Monopolregelung zur Verwirklichung eines mit ihr (tatsächlich) verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels (Suchtprävention/Bekämpfung der Suchtkrankheit): Die Monopolregelung darf deshalb nicht durch die mitgliedsstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen konterkariert werden (Urteil des BVerwG vom 20. Juni 2013).
Beiträge zum Glücksspielwesen: Wird der Zusammenhang von Online-Casinos zur Spielbank gesehen? Werden die klassischen Spielbanken aufgewertet und mit einer Online-Lizenz versehen, beispielsweise wie in den USA?
Gaebler: Es existieren in diesem Zusammenhang zahlreiche noch ungeklärte rechtliche und praktische Fragen, die zunächst im Länderkreis einer abschließenden Lösung bedürfen.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Wie begründen Sie das Lottomonopol heute bzw. zukünftig?
Gaebler: Das staatliche Glücksspielmonopol (insbesondere für sogenannte Große Lotterien) wird aus verfassungsrechtlich bestätigten und Kohärenzgründen maßgeblich mit dem Aspekt der Suchtbekämpfung und Suchtprävention begründet. Ob und wie die Begründung im Zusammenhang mit einer Anschlussglücksspielregulierung verändert oder ergänzt wird, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich sind hier auch Aspekte des Verbraucherschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung zu betrachten.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Vielen Dank für das Gespräch!
Christian Gaebler (SPD), Staatssekretär, ist Chef der Senatskanzlei Berlin.