von Christian Benzrath
Unabhängig von den Erlaubnisverfahren nach dem Glücksspielstaatsvertrag, aber durchaus auch als Folge aus diesen Verfahren, ergeben sich Handlungsbedarfe der Kommunen, um den terrestrischen Glücksspielmarkt in den Städten und Gemeinden (neu) zu strukturieren. Wurden Betreiber an bestimmten Standorten abgelehnt oder kommen neue Anbieter hinzu, stellt sich die Frage nach dem Wohin. Neue Betriebe werden sich dabei stets an das Verbot der Mehrfachkonzession halten müssen, d. h. es geht um die Ansiedlung von Spielhallen mit maximal zwölf Geldspielgeräten, § 2 Abs. 2 Satz 1 Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung – SpielV). In laufenden Erlaubnisverfahren können vereinbarte Abschmelzungskonzepte dazu führen, dass jedenfalls eine Zeit lang noch Mehrfachkonzessionen fortbestehen, diese Betreiber werden aber den Standort nicht ändern können, weil die gewerberechtliche und die glücksspielrechtliche Erlaubnis standortbezogen sind.
Vier Modelle werden derzeit in den Kommunen und der Branche diskutiert: das sog. Pooling, die Konzentration in Vergnügungsvierteln, die gleichmäßige Verteilung im Stadtgebiet und die „Verbannung“ in Gewerbegebiete oder Autohöfe. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen hier für heute und welche Möglichkeiten sind de lege ferenda wünschenswert? Dieser Frage widmet sich der Beitrag am Beispiel Nordrhein-Westfalens und bundesweiter Rechtsprechung.
Pooling
In die Diskussion gebracht wird das Modell des Poolings. Darunter wird verstanden: die Angebotsbündelung verschiedener Spielformen (Spielhalle, Sportwetten, Buchmacher, Lotto) in einer Vergnügungsstätte. Schon in der Ausgestaltung des Glücksspielstaatsvertrages wurde heftig diskutiert, ob nicht Annahmestellen für Sportwetten viel eher in die Spielhallen gehören als davon getrennt. Häufig genug sind die Betreiber von Spielhallen auch in das Sportwettsegment eingestiegen, sei es mit deutschen Tochterunternehmen oder z. B. maltesischen und österreichischen Lizenzen. Eine Übersicht ergibt sich schon aus der Liste der Konzessionsbewerber, die in NRW aufgrund des Urteils des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster als glücksspielrechtlich erlaubnisfähig zu dulden sind. Die bestehende Fachkompetenz dieser Anbieter in deren Spielhallenangeboten zu bündeln, erscheint durchaus ein Ansatz, der den Spielerschutz auch gewährleisten kann. Zudem ist dies eine wirtschaftliche Möglichkeit, freiwerdende Flächen in Spielhallenkomplexen mit Mehrfachkonzessionen umzunutzen. Zumindest die Anbieterseite erscheint in der Lage, im Falle des Poolings auf umfassende Markterfahrung zurückgreifen zu können. Ob dem Spielerschutz des einzelnen Konsumenten mit kritischem Spielverhalten beim Pooling wirklich genüge getan ist oder nicht doch eine räumliche Trennung vorzugswürdig ist, kann hier nicht bewertet werden.
Allein, es fehlen derzeit die Rechtsgrundlagen für ein solches Modell; der Glücksspielstaatsvertrag, einige Landesausführungsgesetze und Verordnungen schließen das Pooling aktuell jedenfalls aus (vgl. § 22 GlückspielVO NRW; § 16 Abs. 3 AG GlüStV NRW; BVerfG vom 07.03.2017 – 1 BvR 1314/12; OVG NRW Beschl. v. 11.01.2018 4B 1375/17, juris Rn. 13). So dürfte dieses Modell tatsächlich nur Zukunftsmusik sein und eine umfassende Liberalisierung im kommenden Glücksspielstaatsvertrag erfordern.
Ansiedlung in Gewerbegebieten und auf Autohöfen
Die Diskussion um Trading-down-Effekte und negative Entwicklungsauswirkungen auf innerstädtische Lagen veranlassen manche Kommune, Spielhallenansiedlungen in Gewerbegebieten oder auf sogenannten Autohöfen nahe Autobahnen und Bundesstraßen zu fördern. Dies hat zunächst positive Effekte in der Kommunalpolitik. Zum einen vermeidet man die Auseinandersetzung im innerstädtischen Einzelhandel und der Gastronomie über die Frage, inwieweit sich Spielhallenangebote negativ auf ihr Umfeld auswirken, zum anderen vermeidet man den Ausfall der Einnahmen über kommunale Vergnügungssteuern. Dieses Modell kann eine Lösung sein, birgt aber verschiedene Risiken: Zum einen sind Vergnügungsstätten nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) nur kerngebietstypisch. Ob diese Einordnung noch adäquat ist, mag gesetzgeberisch überprüft werden.
Zu den Vergnügungsstätten zählen nach Fickert/Fieseler (BauNVO, Kommentar, 12. Aufl., 2014, § 4a Rn 22) gewerbliche Nutzungsarten, die sich in unterschiedlicher Ausprägung wie Amüsierbetriebe, Diskotheken, Billardsalons, Spielhallen, Multiplex-Kinos und Gaststättenbetriebe als Partylocation oder mit täglich wechselndem Unterhaltungsprogramm (Motto-Parties), unter Ansprache des Sexual-, Spiel- und/oder Gesellschaftstriebs einer bestimmten gewinnbringenden Freizeitunterhaltung widmen (so auch Dolde/ Schlarmann, Zulässigkeit von Vergnügungsstätten in beplanten Gebieten, BauR 1984, 121; Scharmer, Rechtliche Steuerungsmöglichkeiten im Vergnügungsstättenbereich, 2. Aufl. 1986, DIfU, S. 13 f.; Stock, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, § 4a, Rn. 69; Roeser, in: König/ Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl., 2014, § 7, Rn. 16;). Spielhallen fallen also zweifelsfrei unter diese Kategorie. Diese sind in Gewerbegebieten nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO aber nur ausnahmsweise zulässig, müssen also ins Verhältnis zu konkurrierenden Nutzungen gesetzt werden. Eine Ausnahme vom Bebauungsplan kann auch nur dann zugelassen werden, wenn sie im Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. § 31 Abs. 1 BauGB). Eine Änderung entsprechender Bebauungspläne kann die Grundzüge der Planung berühren, wenn sie vor allem deshalb vorgenommen wird, um bisher unzulässige Betriebe zuzulassen. Hier bedarf es dann einer umfassenden Begründung (vgl. Verwaltungsgericht Freiburg, Beschluss vom 17. Februar 2011 – 1 K 2674/10 – juris), sonst können sich Anlieger mit einem Gebietserhaltungsanspruch gegen die neuen Nachbarn durchsetzen.
Auch kommunalpolitisch kann die Flächenvergabe im Gewerbegebiet an Spielhallen durchaus zu Konflikten führen, fehlen diese Flächen womöglich später, um Betriebe mit einer besseren Arbeitsplatz/Quadratmeter-Quote anzusiedeln. Bei Neuansiedlung wird man aber auch das Verbot der Mehrfachkonzession berücksichtigen müssen: Inwieweit solche Entscheidungen also für die Betreiberbranche attraktiv sind, bleibt abzuwarten.
Ansiedlung in bestehenden Vergnügungsvierteln
Haben Kommunen konkrete Vergnügungsstättenkonzepte (ähnlich kommunalen Einzelhandelskonzepten) oder eine Entwicklung einzelner Straßenzüge zum Vergnügungsviertel durch Nutzungsausschlüsse an anderen Stellen und im Kerngebiet gesteuert, soll dies Berücksichtigung im Auswahlverfahren finden (so z. B. Runderlass des Innenministeriums NRW vom 10.05.2016 – 113.38.07.13-5, Seite 5). Dieser Gedanke ist nicht nur richtig, sondern gut nachvollziehbar. Es ist in einem solchen Fall nicht dem Betreiber anzulasten, wenn Mindestabstände unterschritten werden, haben doch planerische Entscheidungen der kommunalen Gremien zur Konzentration geführt. Je nach Größe eines solchen Vergnügungsviertels wird man auch die Mindestabstände einhalten oder fast einhalten können, hier erscheint dann eine Härtefallentscheidung zur Unterschreitung der Mindestabstände nach § 16 Abs. 3 Satz 1 , 3 AG GlüStV NRW auch mehr als gerechtfertigt. Ausgenommen werden hier die Sportwettannahmestellen sein, die sich in Ermangelung einer Einstufung als Vergnügungsstätte einer solchen Steuerung (noch) entziehen.
Verteilung im Stadtgebiet
Diese Strukturierung entspricht am ehesten dem Gesetzeszweck. Sie bietet sich bei Kommunen an, in denen vielleicht eine gewisse Streuung des Spielangebotes schon besteht. Sich in diesem Zusammenhang und mit dieser Zielsetzung auf die Abstandsregelungen des AG GlüStV NRW und der Glücksspielverordnung NRW zu berufen, ist plausibel. Auch hier birgt die Rechtslage aber Fallstricke. So hat das OVG NRW beispielsweise die Abstandsregelungen aus § 22 der Glücksspielverordnung NRW nicht anerkannt, die Abstandsvorschriften für Sportwettannahmestellen zu Einrichtungen für Minderjährige sind damit in NRW faktisch ausgesetzt (OVG NRW, 4 B 919/16, Beschluss vom 29.03.2017– www.justiz.nrw. de). Als Vergnügungsstätte sind diese Annahmestellen im Regelfall nicht zu qualifizieren, sodass eine bauordnungsrechtliche oder bauplanerische Steuerung aktuell nicht gelingt. Da die glücksspielrechtliche Genehmigungssituation katastrophal unbefriedigend ist und strukturelle Vollzugsdefizite bestehen, lassen sich Annahmestellen für Sportwetten aktuell überhaupt nicht steuern, soweit diese dem großen Kreis der Anbieter, die sich um eine Erlaubnis bemüht haben (vgl. Runderlass des IM NRW), angehören.
Hier wird zulasten der Kommunen und Betreiber gerade ein neues Problem durch ein Wegsehen der zuständigen Stellen des Landes produziert. Wird künftig nämlich eine verfassungskonforme Regelung zu Mindestabständen zwischen Annahmestellen für Sportwetten etabliert, beginnt die nächste Runde der Rechtsstreitigkeiten über Standorte und Auswahlverfahren, so wie aktuell um die Standorte von etablierten Spielhallen. Hier besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Für die Verteilung von Spielhallen spricht auch, dass einzelne Anbieterstandorte nachbarschaftsverträglicher sein dürften als eine faktische Konzentration. So haben sich über Jahre z.B. im Ruhrgebiet in Einkaufsstraßen mit hohen Leerstandsquoten regelrechte Spielmeilen entwickelt und tatsächlich zu einem Absenken des Niveaus beigetragen. Verteilt man diese Angebote aber über die Anwendung der Mindestabstände, fallen die Angebote nicht so stark ins Gewicht der Einzelhandelsstruktur. Insbesondere Neuansiedlungen mit Einfachkonzession sind in normalen Ladenlokalen unterzubringen und in Frequenz und Auswirkung im klassischen Kerngebiet verträglich. Aktuell gelingt diese Verteilung aber noch nicht, streiten die Betreiber doch um die bestehenden Standorte von Mehrfachkonzessionen vor den Verwaltungsgerichten und scheuen daher die Investitionen in Standortverlagerungen.
Fazit
In der aktuell unsicheren Rechtslage, die von zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren geprägt ist, werden sich neue Strukturierungskonzepte nicht kurzfristig umsetzen lassen. Die kommunalen Verantwortungsträger sollten diese Zeit aber nutzen, um eine mittelfristige Strategie für ihr Gemeindegebiet zu entwickeln und an der Umsetzung frühzeitig arbeiten. Zu berücksichtigen sind dabei der Zeitbedarf für Änderungs- oder Aufstellungsverfahren in der Bauleitplanung ebenso wie die Suche nach einvernehmlichen Ansiedlungskonzepten mit der Spielbranche. Für die Betreiber bietet sich aktuell die Gelegenheit, für die allein zulässigen Einfachkonzessionen neue Standorte zu finden – im Einvernehmen mit den Kommunen. Wer aktuell strategisch entwickelt, statt zu streiten, dürfte gute Chancen am veränderten Markt haben.
Christian Benzrath ist Städtischer Rechtsdirektor und leitet das Ordnungsamt der Stadt Langenfeld.
*Der Beitrag entstand aus einem Vortrag des Autors beim 4. Bundeskongress zum Glückspielwesen am 8. Mai 2019 in Berlin.