Anbieter reagieren auf regulatorische Impulse
(Dr. Sven Jung, Dr. Jan Kleibrink, Prof. Dr. Bernhard Köster) Mit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) im Jahr 2012 sollte das Glücksspiel in Deutschland auf eine bundesweit einheitliche, rechtssichere Basis gestellt werden. Neben dem Ausscheren Schleswig-Holsteins, wo weiterhin aufgrund einer Übergangsregelung viele private Anbieter tätig sind, haben allerdings zwei zentrale Schwächen des GlüStV einen kontinuierlich wachsenden Markt für nicht erlaubtes Glücksspiel in Deutschland begünstigt: Das Verfahren zur vorgesehenen Öffnung des Marktes für Sportwetten scheiterte aufgrund juristischer Einwände. Ohne diese Öffnung hat sich ein rechtlicher Graubereich entwickelt. Konkret: Der GlüStV sah die Vergabe von bis zu 20 Lizenzen für Sportwettanbieter vor. Allerdings bewarben sich weit mehr Unternehmen um diese Lizenzen, sodass einige trotz der Erfüllung der Lizenzauflagen leer ausgingen. Die Lizenzvergabe wurde daraufhin juristisch angefochten und für ungültig erklärt. Seitdem operieren private Sportwettanbieter in Deutschland in einem „geduldeten Graubereich“. Zudem wurde die Digitalisierung vieler Lebensbereiche – so auch des Glücksspielmarktes – in seiner Bedeutung und Geschwindigkeit unterschätzt. Das im GlüStV festgeschriebene Online-Verbot für die meisten Spielformen geht an der Lebenswelt und den Präferenzen vieler Spieler vorbei. Zudem wird es in der Praxis nicht vollzogen, im Gegenteil: Nicht nur die geduldeten Sportwettanbieter, sondern auch Anbieter von Online-Casinos oder Zweitlotterien operieren öffentlich, etwa durch Marketingkampagnen in TV und Internet – und geben sich damit den Anschein der Legalität. So hat sich in den vergangenen Jahren ein massiv wachsender, nicht erlaubter Markt für Online-Glücksspiel entwickelt.
Der deutsche Glücksspielmarkt teilt sich daher heute in zwei Teile auf: einen erlaubten Markt, auf dem Anbieter mit einer deutschen Glücksspiellizenz ihre Angebote am Markt platzieren, und einen nach der deutschen Regulierung nicht-erlaubten und daher nicht-regulierten Markt, auf dem Anbieter mit einer Glücksspiellizenz aus dem EU-Ausland operieren.
Seit dem Jahr 2013, dem Beginn der detaillierten Aufzeichnung der Daten für den deutschen Glücksspielmarkt, hat der Anteil des unerlaubten Marktes am Gesamtmarkt von 15 Prozent auf 19 Prozent zugenommen.
Bei einer Einzelbetrachtung des erlaubten und nicht erlaubten Marktes ist das umgekehrte Verhältnis von Online-Angebot zu stationärem Angebot zu erkennen. Während sich aktuell der Anteil des Online-Angebots im erlaubten Markt nur auf fünf Prozent beläuft, hat dieser im unerlaubten Markt einen Anteil von 69 Prozent.
Dies verwundert nicht: Für zwei der meistgespielten Spielformen – Sportwetten und Casinospiele – ist in der deutschen Glücksspielregulierung kein erlaubtes Online-Angebot vorgesehen. Die Spieler finden sich daher im nicht erlaubten Markt.
Der Umsatz mit erlaubten Online-Angeboten ist zwischen 2013 und 2018 um rund drei Prozent pro Jahr gewachsen und der Marktanteil hat sich – auf niedrigem Niveau – erhöht. Im Jahr 2018 wurden Bruttospielerträge von knapp 600 Mio. Euro mit erlaubtem Online-Glücksspiel, in erster Linie Lotterieanbieter der Landeslotteriegesellschaften, in Deutschland erzielt.
Im nicht erlaubten Markt ist dagegen nicht nur der Marktanteil des Online-Spiels deutlich höher, auch das Wachstum der Bruttospielerträge war von 2013 bis 2017 absolut und relativ deutlich größer als im erlaubten Markt. Dies verwundert nicht, denn das stationäre Angebot ist einzig auf die schon angesprochenen privaten Sportwettanbieter zurückzuführen. Im Jahr 2018 allerdings kam es zu einem deutlichen Rückgang im nicht-erlaubten Online-Segment: Die Bruttospielerträge fielen um mehr als 700 Mio. Euro (2017: 2,5 Mrd. Euro; 2018: 1,8 Mrd. Euro). Der Marktanteil des Online-Spiels im nicht-erlaubten Markt ging damit von knapp 80 Prozent auf knapp 70 Prozent um zehn Prozentpunkte zurück.
Dr. Sven Jung ist Head of Economic Intelligence beim Handelsblatt Research Institute. Er beschäftigt sich in seiner Forschung insbesondere mit der digitalen Transformation, ihren gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen sowie den Veränderungen in einzelnen Branchen.
Dr. Jan Kleibrink ist Head of Economic Analysis des Handelsblatt Research Institute. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der ökonomischen Analyse von Marktveränderungen, insbesondere vor dem Hintergrund der digitalen Transformation.
Prof. Dr. Bernhard Köster ist Professor für Volkswirtschaftslehre (VWL) und quantitative Methoden an der Jade Hochschule. Seine Schwerpunkte liegen unter anderem in der Analyse der ökonomischen Auswirkungen des demografischen Wandels.
Dieser Beitrag erschien in voller Länge in der Fachzeitschrift „Beiträge zum Glücksspielwesen“ Ausgabe 4/2019. Diese kann hier im Jahresabo oder einzeln bestellt werden.