(Georg Lütter) Das OVG NRW unterbindet den Versuch der Kommunen, durch vorrangige Entscheidung der Härtefälle die Komplexität des Auswahlverfahrens zur Einhaltung des Mindestabstands zwischen Spielhallen zu umgehen.
Seit Ablauf der Übergangsfrist sind Verwaltungen und Gerichte mit der Lösung der Konflikte befasst, die aus der Vorgabe des § 25 Glückspielstaatsvertrag (GlüStV) zum Mindestabstand zwischen Spielhallen resultieren. In NRW beträgt der gesetzliche Mindestabstand zwischen Spielhallen 350 m. Unterschreiten zwei oder mehrere Bestandsbetriebsstätten bzw. Bewerber diesen Mindestabstand, darf im Wege des Auswahlverfahrens nur eine (Weiter-)Betriebserlaubnis erteilt werden. Wie sich nun zeigt: vorbehaltlich zusätzlicher Härtefälle (§ 29 Abs. 4 GlüStV).
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Entscheidung vom 7. März 2017 die Anforderung an den Gesetzesvorbehalt für Auswahlentscheidungen minimiert: „Der Gesetzgeber kann die Bewältigung der vielgestaltigen Auswahlkonstellation den zuständigen Behörden überlassen, da eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, soweit ersichtlich, nur ein geringes Mehr an Bestimmtheit und Rechtsklarheit schaffen könnte. Auch soweit etwa in Innenstädten oder Stadtteilzentren aufgrund der dort bestehenden Gemengelage eine Vielzahl von Konkurrenzsituationen aufgelöst werden muss, erfordert der Vorbehalt des Gesetzes daher jedenfalls derzeit keine ausdrückliche gesetzgeberische Festlegung (…)“ (Rn 185 des Urteils). Die Regelung zum Mindestabstand in NRW (§ 16 Abs. 3 AG GlüStV NRW) enthält dementsprechend keine Vorgaben über die Angaben zur Distanz hinaus. Die kommunalen Entscheidungsträger verfielen daher auf die Idee, die Komplexität der anstehenden Entscheidungen dadurch zu reduzieren, dass sie vorrangig über Härtefälle entschieden und die übrigen Bewerber schlicht als „Störer“ behandelten. Dieses Verfahren, das letztlich auf eine Bevorzugung des Bestandsschutzes vor allen anderen Qualitätsmerkmalen hinausläuft, ermöglichte eine einfache Entscheidung, zumeist auf Basis der Anciennität. Die Behörden konnten sich hierzu auf einen Runderlass des NRW-Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 10.05.2016 berufen.
Hamburg entschied sich hingegen für eine gesetzliche Regelung zur Verfahrensvereinfachung: Susschlaggebend ist allein das Alter der Spielstätte, hilfsweise der Zeitpunkt der (früheren) Gewerbeanmeldung (§ 9 Abs. 4 HmbSpielhG). Nachdem das VG Hamburg (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes) zunächst § 9 Abs. 4 HmbSpielhG für verfassungswidrig erklärt hatte, hat das OVG Hamburg u. a. mit Entscheidung vom 2. Juli 2018 (AZ: 4 Bs 50/18) klargestellt, dass § 9 Abs. 4 HmbSpielhG verfassungskonform und insbesondere die Reduktion komplexer Sachverhalte auf ein maßgebliches Kriterium im Rahmen des Auswahlverfahrens sachgerecht ist. Grundsätzlich könne von den Bewerbern nur verlangt werden, sämtliche gesetzlichen Vorgaben zur Bekämpfung / Vermeidung von Spielsucht, zum Spielerschutz, zur Anzahl der Spielgeräte etc. zu erfüllen, nicht aber eine überobligatorische Erfüllung. Bewerber, die die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, seien folglich gleich zu behandeln. § 9 Abs. 4 HmbSpielhG ermögliche auf dieser Basis eine rechtssichere und vorhersehbare Auswahlentscheidung. Das OVG Hamburg rechtfertigte damit eine Entscheidung des Landesgesetzgebers. Es ist nicht anzunehmen, dass es damit die einzig rechtlich gangbare Option festschreiben wollte.
Georg Lütter ist Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz a. D.
Dieser Beitrag erschien in voller Länge in der Fachzeitschrift „Beiträge zum Glücksspielwesen“ Ausgabe 4/2019. Diese kann hier im Jahresabo oder einzeln bestellt werden.