Niedersachsen beschließt detaillierte gesetzliche Regelungen
von Georg Lütter, Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz a. D.
Der bis zum 30. Juni 2021 gültige (Länder-)Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV) hat u.a. zum Ziel, die Entstehung von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern. Ein Mittel zur Begrenzung der Spielsucht ist das sog. Abstandsgebot, wonach zwischen Spielhallen ein Mindestabstand einzuhalten ist. Sinn dieser Regelung ist die Verminderung der Spielhallendichte und damit eine Beschränkung des Gesamtangebots.
Mit Ablauf der Übergangsfrist (30.06.2017) begannen die Auseinandersetzungen um die Reduzierung der Spielhallendichte, insbesondere um den Abbau von Bestandsspielstätten. Der Gesetzgeber des Landes Niedersachsen hielt sich bislang vornehm zurück. Lediglich die Behördenzuständigkeit und der (sehr moderate: 100m) Mindestabstand wurden geregelt (§10 NGlüSpG). Alles weitere blieb in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. März 2017 der Weisheit der Behörden vor Ort überlassen.
Diese demonstrierten ihre Hilfslosigkeit, indem sie die etwa 1900 Bestandsspielstätten per Losverfahren um ca. die Hälfte zu reduzieren gedachten. Diese Praxis wurde sehr schnell vom OVG Lüneburg gestoppt wurde (Beschluss vom 4.9.2017, AZ: 11 ME 330/17). Lediglich in Fällen sog. unechter Konkurrenz, in denen über eine gemeinsame Muttergesellschaft verbundene Spielhallenbetreiber selbst zu einer Auswahlentscheidung hätten kommen können, wurde das Losverfahren von den Gerichten akzeptiert (OVG Münster Beschluss vom 23.04.2018, AZ: 11 ME 552/17). Der Landesgesetzgeber hat nun die Konsequenz gezogen. Er hätte es sich (dem Beispiel Hamburgs folgend) einfach machen können, indem er schlicht der jeweils länger bestehenden Spielhalle den Vorrang hätte geben können. Stattdessen ergriff er die Gelegenheit zu einer umfassenden Novellierung des Spielhallenrechts und trägt damit, über die Vorgabe des BVerfG weit hinausgehend, dem Gesetzesvorbehalt mit einer detaillierten Regelung Rechnung.
Für Antragsteller mehrerer konkurrierender Spielstätten eines verbundenen Unternehmens (im Sinn des Aktienrechts) ändert sich nicht viel. Sie sollen selbst die Auswahl darüber treffen, welcher Antrag weiterverfolgt werden soll. Tun sie das nicht, entscheidet die Behörde. Das Gesetz schweigt sich über die Entscheidungskriterien aus, erwähnt aber in der Begründung mahnend die vollumfängliche gerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidungskriterien. Ein Losverfahren wird ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Im Übrigen, also in den Fällen echter Konkurrenz, kommt es zu einer Auswahlentscheidung mit gestaffelten Auswahlkriterien:
1. Primär soll die Entscheidung unter Beachtung der Mindestabstände die größtmögliche Anzahl von Spielhallen ermöglichen. Diesem Grundsatz nach der „Gebietsformel“ des BVerfG sah sich der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet, obgleich hierdurch gerade keine maximale Reduktion von Spielhallen erreicht werden kann. Sollte hiernach (wie wohl in der Regel) keine Entscheidung möglich sein, so ist
2. der Betreiber auszuwählen, der auf die Aufstellung von Geldspielgeräten in einer Gruppe verzichtet. Damit soll die Aufstellung von Zweiergruppen und damit die simultane Bedienung mehrerer Geräte reduziert werden. Sollte dies zu keiner Auswahl führen, weil mehrere, alle oder auch kein Antragsteller einen entsprechenden Verzicht leistet, gilt
3. der Vorrang derjenigen, die das Rauchen in der Spielhalle verbieten. Auch dies dient dem Spielerschutz, da die Raucher gezwungen werden, zum Rauchen das Spiel zu unterbrechen. Verhilft dies nicht zu einer Entscheidung ist
4. die maximale Entfernung zu berufsbildenden und allgemeinen Schulen (mit Ausnahme von Abendgymnasien und Kollegs), hilfsweise
5. die maximale Entfernung zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, hilfsweise
6. die maximale Entfernung zu einer Gaststätte mit Alkoholausschank ausschlaggebend.
Dieser Text erschien in voller Länge in der Fachzeitschrift „Beiträge zum Glücksspielwesen“ Ausgabe 2/2020. Diese kann hier im Jahresabo oder einzeln bestellt werden.
Georg Lütter ist Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz a. D.