Von Uwe Proll, Redaktion Beiträge zum Glücksspielwesen
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
seit der ersten Ausgabe dieser Fachzeitschrift beschäftigen wir uns mit den kontroversen Diskussionen um eine neue Glücksspielregelung in Deutschland, die mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag am 1. Juli in Kraft treten soll. Die Diskussion der letzten Jahre war schon eine Achterbahnfahrt nicht nur der Argumente, sondern auch der widerstrebenden Interessen einzelner Bundesländer – bis hin zu Alleingängen.
Es galt nun, 16 Bundesländer unter einen Hut zu bringen, legale und illegale Glücksspielanbieter in diesen Konsultationsprozess einzubeziehen und letztlich – darüber waren sich dann am Ende alle einig – das Gefährdungspotenzial der Glücksspielsucht neu zu regulieren, gleichzeitig die gesamte Regulierung auf feste und rechtlich unangreifbare Füße zu stellen, die wachsenden illegalen Angebote in einer neuen Regulierung einzufangen und damit ein modernes und nachhaltiges Regulierungswerk für das Glücksspiel insgesamt aufzustellen.
Doch fast wie ein Wunder wirkte es da, als sich dann auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz die Herren dieses Verfahrens, nämlich die Bundesländer, auf einen Vertragsentwurf einigten. Das übergeordnete Ziel war es dabei, durch eine neue Regulierung so viele im Markt befindliche Glücksspielangebote wie möglich in den Regulierungsrahmen hineinzubekommen. So macht Regulierung auch nur Sinn. Dabei wurden durchaus schmerzhafte Kompromisse eingegangen.
Nicht in die Zuständigkeit der Beteiligten – Staatskanzleien und Innenministerien der Länder – fällt die Besteuerung des Glücksspiels. Wir erinnern uns an die Kakophonie in der Diskussion um Pandemiemaßnahmen. Ohne wissenschaftliche Erkenntnis, ohne Erfahrungswissen und meist auch ohne Logik wurden Lockdown-Maßnahmen beschlossen, die jeglicher Konsistenz entbehrten.
Nun erleben wir dies auch gerade wieder beim Glücksspiel. Sind sich die Staatskanzleien mittlerweile einig, treten nun die Finanzminister mit ihrer eigenen steuertechnischen Logik auf den Plan und gefährden damit die Intention des nach langen Verhandlungen ausgehandelten Glücksspielstaatsvertrages. Die Finanzminister der Länder haben sich am 18.02. auf eine Einheitssteuer für die bisher verbotenen Glücksspielformen wie Online-Poker oder virtuelle Automatenspiele von 5,3 Prozent auf den Einsatz geeinigt. 13 Länder stimmten dafür.
Einem Bundesland war der Steuersatz dem Vernehmen nach zu hoch, zweien zu niedrig. Die Entscheidung für die Bemessungsgrundlage, also den Spieleinsatz, war einstimmig. Ein Steuersatz von 5,3 Prozent auf den Einsatz entspricht zwar genau der Höhe, die bisher bei Sportwetten seit 2012 Anwendung findet, doch geht dies an der Absicht des Glücksspielstaatsvertrages völlig vorbei – nämlich bisher illegales Glücksspiel in einen staatlich regulierten Rahmen einzubetten.
Auch hier gibt es wieder das Problem der föderalen Struktur, das nämlich Staatskanzleien und Innenminister einer Meinung sein können, doch die Finanzministerkonferenz aus ihrer eigenen fachlichen Betrachtung heraus einen anderen Weg einschlägt, der die Ziele des neuen Glücksspielstaatsvertrages ad absurdum führt. Die Besteuerung des Spieleinsatzes mit 5,3 Prozent entspricht einer Brutto-Spieler-Ertragssteuer von 51 Prozent bei Online-Poker. Nicht nur, dass dies im europäischen Mittel völlig überhöht scheint. Sondern, schlimmer: Der Kanalisierungseffekt, hinein ins legale Spiel zum einen, erwartete höhere Steuereinnahmen zum anderen, wird sich damit nicht erreichen lassen.
Werfen wir doch mal einen Blick nach Frankreich. Dort hat man die Erfahrung mit einer überhöhten Einheitssteuer auf die Höhe des Spieleinsatzes bereits gemacht und ist längst zurückgerudert. Dort hatte man eine hohe Steuer auf den Einsatz festgeschrieben. Infolge dessen beantragten zahlreiche Unternehmen aus dem illegalen Markt gar keine Lizenzen für Online. Als Folge blieben die Spieler bei den gewohnten illegalen Anbietern aus dem Ausland. Frankreich hat daher längst die Notbremse gezogen.
Paris hatte seinerzeit, im Jahr 2010, beschlossen, die Einsatzbesteuerung bei Sportwetten auf 9,2 Prozent festzulegen. Dann wurde im Jahr 2011 festgestellt, dass der legale Markt bei 35 Prozent lag und der illegale sich bei 65 Prozent nicht nur stabilisierte, sondern sogar wuchs. Der Regulierungsversuch, so viele Spielarten wie möglich in einen gemeinsamen Regulierungsrahmen einzubinden, war kläglich gescheitert. Frankreich hat sein Besteuerungssystem deswegen längst korrigiert, hat niedrigere Steuersätze angesetzt und sich auf die Brutto-Besteuerung der Anbieter fokussiert.
Die Finanzminister haben den Sinn der Glücksspielregulierung offensichtlich nicht erkannt. Der Sinn ist, Glücksspiel durch Kanalisation zu regulieren und damit Auswüchse zu verhindern, Sucht zu minimieren und am Ende einen möglichst breiten Markt in die Regulation zu bekommen.
Warum aber sollte sich auch die Finanzverwaltung mit der intendierten Logik einer Glücksspielregulierung beschäftigen, wenn lineare sowie Einheitssteuern einfacher zu rechnen sind. Auch hier bricht die Konsistenz in der Politik. Staatskanzleien und zuständige Innenministerien (teils auch Wirtschaftsministerien) ringen jahrelang um einen Kompromiss, der dann ein nicht für alle befriedigendes, aber – so ist der Konsens – ein akzeptables Ergebnis hervorbrachte.
Nun kommt ein anderes Ressort, nämlich das der Finanzminister, und stellt durch eigene Fachlichkeit, die in keiner Beziehung zu den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages steht, alles infrage. Es wäre vorausschauend schon hilfreich gewesen, wenn die Staatskanzleien diese vorhersehbare Bruchstelle erkannt hätten und in ihrer Moderationsrolle in den jeweiligen Landesregierungen Vorsorge getroffen hätten. Das scheint aber leider nicht geschehen zu sein.
Ohne nun an dieser Stelle in die übliche Politik-Schelte einzustimmen, muss doch mit aller Nüchternheit gesagt werden: Hier liegt ein Politikversagen vor. Es ist schon wie bei der Corona-Krise – Regieren heißt hierzulande reagieren!