Warum wir diese Diskussion gewinnen müssen
(BS/Ulrich Mäurer) 1,3 Millionen Menschen in Deutschland zeigen ein problematisches und krankhaftes Glücksspielverhalten, weitere 3,25 Millionen stehen auf der Kippe. Die Folgen sind dramatisch: hohe Schulden, psychische Belastungen, familiäre Konflikte und der Verlust sozialer Kontakte. Zudem ist das Suizid-Risiko bei Spielsüchtigen besonders hoch.
Schätzungen gehen davon aus, dass pro glücksspielsüchtiger Person bis zu 15 Angehörige betroffen sind und von den Folgen der Spielsucht in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn wir nichts unternehmen, wird die Zahl an spielsüchtigen Menschen schon bald rasant steigen. Für Glücksspiel wird geworben wie noch nie. Diese massive Werbung ist eine große Gefahr, denn sie schafft in perfider Weise Begehrlichkeiten. Je mehr Menschen Glücksspielwerbung wahrnehmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie überhaupt erst damit anfangen – und desto größer wird die Zahl derer sein, die eine Sucht entwickeln. Diese Werbung wirkt. Andernfalls würden die Sportwettanbieter nicht Monat für Monat viele Millionen Euro dafür ausgeben. Das Ganze ist für die Glücksspielunternehmen ein Milliardengeschäft. Geld, das die Spieler zuvor verloren haben.
Dabei beobachte ich mit Sorge die starke Verquickung von Sport und Sportwetten. Die subtile Botschaft der Wettanbieter lautet: Wer sich für Sport interessiert, kann auch erfolgreich wetten. Mehr noch: Beides gehöre sogar zusammen. Nahezu alle Vereine der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga haben mit Sportwettanbietern Sponsoringverträge geschlossen und eine ganze Generation junger Fans nimmt die Namen der Sportwettanbieter auf den Banden und Trikots ihrer Idole wahr.
Sie verbinden Glücksspielanbieter mit „ihrem“ Verein und nehmen Glücksspiel als etwas Normales, Alltägliches wahr. Tipico präsentiert jetzt sogar die Sportschau und erhielt damit Einzug in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk! Ich sehe dies äußerst kritisch.
Entkommen kaum möglich
Auch im Internet kann man den Anbietern kaum entkommen. Vorneweg die Bild-Zeitung. Sie kooperiert mit dem britischen Unternehmen „Betvictor“, das sein Wettprogramm unter der Marke BildBet anbietet. Bild partizipiert an den Umsätzen, hat also ein wirtschaftliches Interesse am Erfolg des Wettveranstalters. Das spiegelt sich deutlich in der ganzen Aufmachung des Online-Auftritts der Bild-Zeitung: dort wird im Sportbereich neben Fußball, Handball, Formel 1 und Basketball auch „Sportwetten“ aufgeführt, als handele es sich dabei um eine eigene Sportart.
In den redaktionellen Beiträgen werden dann den Leserinnen und Lesern absurde „Verdienstchancen“ suggeriert, unterstützt von selbsternannten Sportwett-Experten wie dem „Wett-Opa“, dem „Quotenwilly“ und der „Wett-Diva“, die Tipps geben fürs angeblich erlernbare und erfolgreiche Wetten.
Hohe Suchtgefahr gegeben
Das ist abstoßend, aber dennoch erst der Anfang. Es steht zu erwarten, dass weitere Medienunternehmen auf den Zug aufspringen werden. Eine voraussichtlich noch größere Werbeflut erwartet uns aus den anderen Online-Glücksspiel-Bereichen, wie etwa für virtuelle Automatenspiele.
Daher müssen wir Aufklärung betreiben und den Menschen klarmachen: Sportwetten und andere Online-Glücksspiele bergen eine hohe Suchtgefahr. „Keine Macht den Drogen“ – was ist aus dieser Kampagne der Neunzigerjahre für Suchtprävention geworden? Initiator war damals der Fußballer Karl-Heinz Rummenigge, andere Botschafter waren unter anderem seine Kollegen Franz Beckenbauer, Rudi Völler und Jürgen Klinsmann. Und dann werben Fußballidole umso sichtbarer für das Suchtmittel Glücksspiel.
Kahn, Kuranyi und Co hatten keine Hemmung, dies zu tun. Solche Sportler und vor allem der Profifußball handeln skrupellos und gierig, weil sie Spielsucht als Freizeitspaß für Fußballfans verharmlosen. Wohl wissend, dass es sich genau wie bei Tabak und Alkohol beim Glücksspiel um etwas potenziell Gefährliches handelt, also um ein sozialschädliches Gut. Die Kosten der schädlichen Auswirkungen trägt im Übrigen die Allgemeinheit, während die prominenten Werbeträger üppige Gagen einstreichen und Anbieter Milliarden umsetzen.
Radikales Umdenken notwendig
Ich bin überzeugt davon, dass wir ein radikales Umdenken brauchen. Daher fordere ich ein Werbeverbot für alle suchtgefährdenden Glücksspiele, also für Sportwetten, virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele. Andere Länder sind da schon weiter. In Italien gilt schon ein Werbeverbot und in England und zahlreichen Staaten der EU werden Forderungen nach Werbeverboten schon heiß diskutiert.
Wir hingegen sind erst am Anfang. Deswegen brauchen wir Verbündete. Und zwar nicht nur auf der politischen Seite – parteiübergreifend, Innenministerinnen und Innenminister, Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister, Sozialministerinnen und Sozialminister, Drogenbeauftragte – sondern auch eine öffentliche Debatte.
Inzwischen fordert auch das Fußball-Fanbündnis „Die Kurve“ ein sofortiges Ende der Sponsoring-Verträge und anderer Kooperationen mit Sportwett-Anbietern. Viel Zuspruch bekommen wir zudem von Seiten der Suchtberatung und der Suchtforschung und am wichtigsten: aus dem Kreise der Betroffenen selbst. Das bestätigt und motiviert mich, bei der Auseinandersetzung mit der mächtigen Lobby der Sportwettanbieter nicht locker zu lassen.