Von MdB Prof. Dr. Patrick Sensburg
Bis heute ist es in Deutschland nicht gelungen, einen konvergenten rechtlichen Rahmen für den gesamten Glücksspielmarkt zu schaffen. Seit mehr als zehn Jahren versuchen die Bundesländer, hierfür einen tragfähigen Kompromiss zu erzielen. In dieser Zeit gab es einen Lotterie-Staatsvertrag, mehrere Glücksspiel-Staatsverträge und mittlerweile mehrere Versionen von sogenannten „Glücksspieländerungs-Staatsverträgen“. Diese sind alle vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof gescheitert. Es ist Schritt für Schritt ein unregulierter „Grauer“-Glücksspielmarkt entstanden – gespielt wird, aber immer mehr ohne staatliche Regelung.
Neben den rechtlichen Problemen, muss aber auch festgehalten werden, dass nicht nur die Umsätze im Bereich der Lotterien wegbrechen, vielmehr verschiebt sich der Glückspielmarkt immer mehr ins Ausland. Suchtprävention, Spielerschutz, insbesondere Jugendschutz, Finanzkontrolle und klassisches Ordnungsrecht lassen sich dadurch immer weniger gewährleisten. Der Staat ist folglich aufgerufen zu handeln und seiner ordnungspolitischen Pflicht zeitnah nachzukommen.
Notwendig ist ein EU-konformer Ordnungsrahmen für das gesamte Glücksspielwesen – von den Lotterien, über Sportwetten, Online-Casino und Online-Poker, bis hin zum stationären gewerblichen Glücksspiel.
Nur so kann zum einen Suchtprävention sichergestellt werden. Spieler, die gesperrt sind oder sich freiwillig sperren lassen oder noch minderjährig sind, dürfen weder am stationären Automaten nach einem Identitäts-Check spielen, noch sich online bei den Web-Seiten oder Apps anderer Anbieter anmelden können.
Ziel ist eine konvergente Regulierung für alle am Markt nachgefragten und etablierten Glücksspiel-Segmente, die auf der einen Seite Freiheiten für Anbieter und Nachfrager bietet und auf der anderen Seite das Gemeinwohl stärkt, insbesondere den Jugend-, Verbraucher- und Datenschutz.
Zum anderen kann der große ungeregelte Glücksspielbereich dadurch in geregelte Bahnen gebracht werden und so gesetzestreue Anbieter von anderen Anbietern getrennt werden. Dies wäre insbesondere für den TV- und Mediamarkt, aber auch den Internetbereich von entscheidender Bedeutung.
Letztlich sichert sich der Staat so umfassende Steuereinnahmen, die vielen Aufgaben zugutekommen können. Gleichzeitig könnten die sinkenden Einnahmen aus dem Lottogeschäft kompensiert werden, der Staat könnte an dem dynamisch wachsenden Markt partizipieren und ihn gleichzeitig zum Wohle der Bürger entsprechend kanalisieren.
Nicht zuletzt würde eine konvergente Regulierung des gesamten Marktes auch den deutschen Lotteriegesellschaften ermöglichen ihr Potential besser ausschöpfen zu können. Auch sie haben viele Ideen, ihre Angebote abzurunden und sich so den Kunden am Markt anzupassen.
Soweit manche Marktteilnehmer und Teile der Politik noch vor einer derart umfassenden Regulierung zurückschrecken, erkennen doch immer mehr Akteure in Politik und Wirtschaft nicht nur die Regulierungsnotwenigkeit, sondern auch deren Chancen. Mit einem „großen Wurf“ lässt sich ein Win-Win-Win-Ergebnis erzielen: (1) Umfassende Suchtprävention und Spielerschutz, (2) Sicherung staatlicher Einnahmen auch in Zukunft und (3) Trennung der gesetzestreuen Glückspielunternehmen von den anderen Mitbewerbern.
Entscheidend wird es sein, dass jetzt zeitnah eine „Glücksspiel-Reform“ im Sinne einer großen Lösung gefunden wird, denn das immer schneller voranschreitende „Digitale Zeitalter“ kennt weder Landes-, noch Ländergrenzen. Es besteht die Gefahr, dass unseriöse Anbieter, die außerhalb des europäischen Binnenmarktes angesiedelt sind, über das Internet den deutschen Markt erobern und sich weder um die Themen Jugend-, Verbraucher- und Datenschutz kümmern, noch daran denken Steuern zu zahlen.
Die ersten Gespräche zwischen den vier und weiteren „federführenden“ Bundesländern – vielleicht mit Unterstützung des Bundes in den Bereichen, in denen er die Regelungshoheit hat – geben Hoffnung, dass eine solche Lösung doch gelingen kann.
Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU) ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Professor an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen in Münster.