Am 04.03.2023 wurde ein Gerichtsurteil in Österreich (Hermagor) in erster Instanz zur Legalität von Lootboxen rechtskräftig. Welche Folgen sich aus diesem Urteil nun für die Regulierung von Lootboxen in Österreich und die Debatte in Deutschland ergeben, haben wir Richard Eibl, LL.M, Geschäftsführer von Padronus Prozessfinanzallianz GmbH (Wien), gefragt. Padronus, die gemeinsam mit der Rechtsanwaltskanzlei Salburg (Wien) das Urteil erwirkten, zählt zu den marktführenden LegalTech-Unternehmen aus Wien, das insbesondere im Gebiet Glücksspielrecht große Erfahrung gesammelt hat.
Was bedeutet dieses jetzt rechtskräftige Urteil für die Regulierungsdebatte in Österreich? Muss das Glücksspielgesetz geändert werden?
Eibl: Das Urteil ist das erste rechtskräftige Gerichtsurteil im gesamten deutschsprachigen Raum zur Frage der Legalität und Rückforderbarkeit von Lootboxen. Es ist insofern richtungsweisend, als es den Ausgang zukünftiger Gerichtsurteile zur gleichen Frage erahnen lässt. Der positive Ausgang des Gerichtsverfahrens zeigt, dass das österreichische Glücksspielgesetz bereits in seiner jetzigen Ausformung gewisse Lootboxen für illegal erklärt und Rückforderungen der Verluste auf zivilrechtlichem Wege möglich macht. Die Ergreifung konkreter Präventivmaßnahmen gegen den Vertrieb von Lootboxen ist eine Frage, die sich die österreichischen Behörden stellen müssen, nicht die Gerichte. Regulatorischen Änderungsbedarf in Bezug auf das Glücksspielgesetz gibt es erst, wenn sich zukünftige Gerichtsentscheidungen wider Erwarten gegen die Entscheidung des BG Hermagor stellen, obwohl der Gesetzgeber die Illegalisierung von Lootboxen tatsächlich vor Augen hat. Jedenfalls sehen wir eine große Gefahr von den Lootboxen ausgehen, da wir in den unzähligen Gesprächen mit mehreren Tausend Geschädigten, die sich im Zuge unseres Sammelverfahrens bei uns angemeldet haben, den unkontrollierbaren Suchtfaktor der Lootboxen erkannt haben.
Hat dieses Urteil auch Auswirkungen auf die Debatte in anderen Ländern, z.B. in Deutschland? Hier hat der Games-Verband ja in seiner Satzung festgelegt, dass Games kein Glücksspiel sind!
Eibl: In der Frage zur Legalität von Lootboxen ist die Rechtslage in Deutschland sehr ähnlich, wenn nicht sogar identisch zur Rechtslage in Österreich. Sehen wir uns die Formulierungen der Gesetze in beiden Ländern vergleichsweise an: Ein Spiel ist als Glücksspiel im Sinne des österreichischen Glücksspielgesetzes zu qualifizieren, wenn erstens „die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängt“ (§ 1 Glücksspielgesetz) und zweitens im Gegenzug zum geleisteten Einsatz „eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn)“ (§ 2 Abs 1 Z 3 Glücksspielgesetz). Beide Voraussetzungen wurden vom BG Hermagor bejaht, weil der digitale Fußballspieler, den ein Käufer für den Erwerb der Lootbox erhält, erstens vom computergenerierten Zufall bestimmt wird und zweitens vermögenswert ist – d.h. einen wirtschaftlichen Gegenwert hat – was dadurch bewiesen ist, dass der digitale Fußballspieler auf Sekundärmärkten im Internet gehandelt werden kann und somit sogar eine Gewinnerzielung möglich ist. Ein Glücksspiel im Sinne des deutschen Glücksspielstaatsvertrages liegt vor, wenn „im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt“ (§ 3 Abs 1 Glücksspielstaatsvertrag). In Deutschland existieren somit die gleichen Subsumtionsregeln, nämlich die Zufallsabhängikeit des Ergebnisses und der „Erwerb einer Gewinnchance“, wobei ein „Gewinn“ nur möglich ist, wenn die erhaltene Gegenleistung einen wirtschaftlichen Wert hat, der entweder als Gewinn oder Verlust gewertet werden kann. Daher kann das österreichische Gerichtsurteil auch als Meilenstein und Präzedenzfall für die deutsche Rechtsprechung gewertet werden.
Zur Person: Richard Maria Raphael Eibl studierte Musikproduktion in Wien, Management Science in London und Wirtschaftsrecht an der Universität Wien. Er ist Gründer und Geschäftsführer des 2018 gegründeten Wiener LegalTech-Unternehmens Padronus. Das Unternehmen hat seitdem tausende Gerichtsverfahren gegen Online-Casino-Anbieter in Österreich und Deutschland finanziert und dabei mehrere zehn Millionen Euro für Spielsüchtige zurückgeholt.
Mit der Problematik des Themas Lootboxen beschäftigen wir uns auch in unserem Webinar am 24. April. Dann stellen wir uns die Frage Lootboxen: Schleichender Einstieg ins Glücksspiel oder harmloser Freizeitspaß? Mehr Informationen zur Veranstaltung und die Möglichkeit zur Anmeldung finden sie hier.