(SR) „Nur zwölf Stunden! Drei Promo Packs zum Preis von nur 450 FIFA Points!“ Für Nichteingeweihte ein verwirrender und nichtssagender Satz, der aber gleich mehrere der problematischen In-Game-Käufe in vielen beliebten Videospielen beinhaltet. Zum einen sind das Lootboxen, ein glücksspielähnliches Phänomen, und zum anderen gleich mehrere sogenannte Dark Patterns. Letztere sind „Verkaufsstrategien“, welche vielen sicherlich auf die eine oder andere Art bekannt vorkommen.
Zunächst jedoch zu den Lootboxen. Sind die digitalen Zufallspäckchen in Videospielen Glücksspiel oder nicht? Juristisch gesehen fehlt es an entscheidenden Kriterien, um Lootboxen als Glücksspiel einzustufen. Dennoch wird der Ruf nach ihrer Regulierung auch in Deutschland zunehmend lauter. Lange Zeit fehlte es an nötigen Stimmen, die Verantwortung für das Thema übernahmen. Mit einem Positionspapier führender Abgeordneter der Grünen aus Bund und Ländern gibt es aber nun konkrete politische Ziele. Auch die SPD teile viele der im Positionspapier der Grünen erwähnten Standpunkte, erklärte Alexander Bartz, MdB (SPD), auf dem Deutschen Glücksspielkongress in Berlin. Daher ist der Kern der politischen Debatte aktuell, wie und in welchem Rechtskörper Lootboxen am besten zu regulieren sind und ob sie als Glücksspiel eingestuft werden müssen. Für Dariush Hassanpour, Mitglied der Bürgerschaftsfraktion der Linken in der Bremischen Bürgerschaft, ist in dieser Frage auch eines der großen Probleme zu finden, denn bei der Diskussion ging es bisher sehr viel um Verantwortung. Gaming-Industrie, Länder, Bund – oder sind vielleicht sogar die Eltern in der Pflicht zu handeln?
Wer ist verantwortlich?
Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was man regulieren möchte, wie Dr. jur. Martin Maties, Professor für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht sowie Methodenlehre an der Universität Augsburg, erklärt. Ebenfalls ist es wichtig, wen man danach fragt. Denn die Parteien stehen häufig an anderer Stelle und Eltern, die bei dem Thema häufig nicht wirklich durchblicken, wünschen sich Aufklärung und Hilfe vom Staat. Einige Politiker sehen hingegen die Eltern in der Verantwortung. Schließlich könne man den Kindern auch den Zugang zu diesen Mechanismen verwehren. Dazu müsse man nur die Bezahlmöglichkeiten entfernen.
Trotzdem bleibt zu klären, ob es sich um eine politische Frage auf Länder- oder Bundesebene handelt. Das hängt auch vom Rahmen der Regulierung ab. Geht es um Glücksspielregulierung, Jugendschutz oder Verbraucherschutz?
Dark Patterns regulieren
Da gerade der leichte Zugriff, den Kinder auf Lootboxen haben, ein wichtiger Streitpunkt ist, könnte es eine Lösung sein, Lootboxen im Jugendmedienschutzgesetz zu regulieren. In diesem Umfeld könnte man sich dann auch gleich der sogenannten Dark Patterns annehmen, die in der Vermarktung von In-Game-Käufen zum Einsatz kommen. Dazu zählen Praktiken wie das sogenannte FOMO (Fear of missing out) oder die Verschleierung der tatsächlichen Kosten durch mehrere Währungen innerhalb des Videospiels. Wie umfangreich diese Strategien gerade in „Free-to-play“ Titeln verbaut sind, erläutert zum Beispiel die Studie „Insert Coin to Continue“ (nachzulesen unter https:// unipub.uni-graz.at/obvugrveroeff/ content/titleinfo/9606002). Eine andere Möglichkeit, gezielt Kinder vor diesen Inhalten zu schützen, wäre ein erschwerter Zugriff auf Bezahlmöglichkeiten. Markus Meschik, Ph.D., Geschäftsführer von Enter – Fachstelle für digitale Spiele in Graz, verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass dann eine effektive Lösung die Abschaffung von Bezahlkarten sei. Denn über diese haben auch Minderjährige leichten Zugriff auf In-Game-Käufe. Auch Dr. Christian- Henner Hentsch, Professor für Urheber- und Medienrecht an der TH Köln, sieht nicht im Jugendschutz die umfassende Lösung für das Problem mit Lootboxen oder vielmehr Dark Patterns. In seinen Augen gehört das Thema in den Verbraucherschutz.
Glücksspiel oder nicht?
Ein anderer Gedanke ist die Regulierung von Lootboxen über den Glücksspielstaatsvertrag. Dabei stellt sich jedoch zunächst einmal die entscheidende Frage, ob Lootboxen überhaupt Glücksspiel sind oder nicht. Glücksspielähnlich sind sie mit ihrem zufallsbasierten Inhalt in jedem Fall. Für eine juristische Definition als Glücksspiel fehlt es jedoch an entscheidenden Merkmalen. Zu nennen ist hier vor allem das Ausbleiben eines Totalverlustes, denn irgendetwas bekommt man beim Öffnen einer Lootbox immer. Eine Deklarierung von Lootboxen als Glücksspiel hat jedoch ihre ganz eigenen Probleme. Denn wenn nicht gleichzeitig eine Anpassung des Glücksspielstaatsvertrages der Länder erfolgt, wären Lootboxen nach ihrer Definition als Glücksspiel automatisch als illegales Glücksspiel zu werten. Denn sie sind im Glücksspielstaatsvertrag nicht als legales Angebot aufgeführt. Gerichtliche Entscheidungen, ob Lootboxen nun als Glücksspiel zählen oder nicht, sind daher im Interesse eines Regulierungschaos zu vermeiden.
Da die Frage aber auch in anderen Ländern diskutiert wird, lohnt sich auch der Blick in drei unserer Nachbarländer. In den Niederlanden und Belgien geht man bereits seit einigen Jahren gegen Lootboxen vor, sodass Spiele-Publisher wie EA ihre Spiele dort ohne die digitalen Goodiebags auf den Markt bringen. Direkt verboten sind Lootboxen in den beiden Ländern allerdings nicht, wie Dr. Andreas Woerlein LL.M., Melchers Rechtsanwälte, betont.
Auch für einen Vergleich mit den österreichischen Gerichtsentscheidungen zum Thema Lootboxen hat er schlechte Nachrichten. Denn der österreichische Glücksspielbegriff ist nicht eins zu eins auf den deutschen übertragbar. Daher lassen sich aus den Gerichtsentscheidungen in Österreich, die Lootboxen als Glücksspiel deklarieren, keinesfalls Schlüsse auf deutsche Verhandlungen zu diesem Thema ziehen.
Aktuell ist der Glücksspielstaatsvertrag der Länder also keinesfalls der beste Ort, um die Regulierung von Lootboxen voranzubringen. Dennoch setzt sich unter anderem die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder mit dem Thema aktiv auseinander. Mit Ansätzen im Jugendmedienschutz und dem Verbraucherschutz sind ebenfalls verschiedene Lösungsmodelle für die Regulierung vorhanden.
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